I)er
Engländer.
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ausübt das Comibrtablc. Dieser Realismus zeigt sich auch in der
Kunst, wo freilich einige der bedeutendsten Leistungen eine classischti
Steigerung in's Ideale und die grossartigste Vcrquickung mit demselben
zeigen. Durchschnittlich aber bleibt sein Realismus an der gewöhnlichen
Wirklichkeit. kleben. In der bildenden Kunst ist deshalb nicht viel von
ihm zu rühmen; nur dort, wo er sich unmittelbar an die Natur an-
sehliesscn kann, zeigt er grosse Stärke, so z. B. im Portrait und in der
Thiermalerei, auch in der Landschaft, soweit keine ideale Auffassung
verlangt wird. Der Wohlstand des Volks, die gute Nahrung, hat bei den
gesunden kräftigen Anlagen die besten Folgen gehabt. Der Engländer
gehört zum kräftigsten lilensehenschlag (11 englische Arbeiter sollen durch-
schnittlich 5 deutschen und 6 oder 7 Franzosen in Leistung schwerer
Arbeit gleichkommen). An Wuchs zeigt er sowohl einen hageren, eckigen,
knochigen Typus, als kurzen, runden, stämmigen. Das Gesicht ist mei-
stens durch Schärfe und Bestimmtheit des Schnitts ausgezeichnet.
Der Engländer ist ein Freund aller körperlichen Uebungen, die
Kraft und Ausdauer erfordern; selbst der Lauf und das Gewandtheit
verlangende Ballspiel finden die eifrigsten Verehrer. Boxen, Rudern und
Reiten sind beliebt und geübt. Männliche Kraft ist immer der Bewun-
derung gewiss und wird beim Volke so hoch wie jede andere Begabung
gepriesen. Daher kommt es aber auch, dass sie mit einer Wissenschaft-
liehkeit und Sorgfalt gepflegt wird, die nur in Griechenland und in der
römischen Gladiatorencaserne ihres Gleichen gefunden hat, und dass
sich eine vollkommene Technik dafür herausgebildet hat das Trai-
niren. Ausserordentliche Resultate sind dadurch erzielt, die weder den
Ergebnissen der olympischen Spiele noch denen der Arena nachstehen.
Das Uebel eines Preisfechterthums ist freilich ebenfalls nicht ausge-
blieben, hat jedoch bei der allgemeinen sclbstthatigen Theilnahme des
Volks doch noch nicht über-massig ausarten können. Das Boxerwesen
steht allerdings nicht mehr auf der zu erlaubenden Gränze, sondern ist
durch die grossen Preiskampfe zwischen englischen und americanisrshen
Boxern weit darüber hinausgeschoben. Dass Athleten sich darin produ-
eirtcn, hat nichts Besonderes auf sich. Dass sie aber durch Faust-
schläge eine so unsinnige Bewunderung und Aufregung, solcl1e'alberne
Vergötterung erweckten, ist für die zwei gebildeten Nationen ein ebenso
schlimmes Zeichen, als wenn ganz Frankreich über ein unsittliches
Theaterstück oder über einen faulen Roman in Extase gerath. Die
Thierhatzen (Hunde- und Habnenkampfe u. s. w), dicnoch jetzt in Flug-
land beliebt sind, zeugen von Rohheit. Die Ruderkämpfe und Wett-
fahrten mit Segelbooten sind überall nachahmungsivürdig.i?)
"Ü Warum, so muss ich hier wiederholen, warum schafien sich unsere
Fürsten und Reichen nicht Jachten an, wie die englischen Lords! Könnte
nicht in Elbe und Weser eine Stattlißlle Flotille liegen, bcmannt mit älteren,
tüchtigen hlatroscn, denen dadurch ein halbes Gnndenhrod gegeben würde?