Volltext: Populäre Aesthetik

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Die 
lker 
der 
Neuzei 
es kein Volk, das solche Acte der Feigheit und der Verzwcitilung aufzu- 
weisen hat; keins auch, das so lächelnd geduldig, ja vergnügt Tyrannei 
ertragen hat, um dann plötzlich in 'J"igerwuth aufzufahren und seinen 
Bändiger wüthend zu zerknirschen. Bei aller Phantasterci sind die 
Franzosen doch wieder Schablonenmenschen. Sie besitzen und üben 
gern ihr grosscs Organisationstalent, bringen es aber auch hierin nur 
zur l-lalbheit. Sie organisiren ausgezeichnet, messen aber Alles und 
bestimmen Alles nach ihrem eignen Schnitt, der meistens anderen 
Nationen durchaus nicht passt. Ueber den Franzosen kommt eben 
kein Franzose hinaus, so wenig wie ein Grieche aus sich herauszu- 
gehen vermochte; 0b e1' mit Irokesen, mit Indern, mit Kabylen und 
Beduinen, mit Deutschen oder Engländern oder Spaniern zu thnn hat, 
er bleibt sich gleich und fühlt sich im selben Maasse den Sohn der 
grossen Nation, die Alles am besten versteht und ein Muster für Alle 
sein muss, damit die Welt glücklich wird. Daher ihre lliisscrfolge in 
der Golonisirung. 
Von den körperlichen Uebungen und Spielen des Volkes ist nicht 
viel zusagen. Als gute Fussgänger und Läufer, dann auch als Tänzer 
sind sie bekannt. Die ltlarschfähigkeit eines französischen Heeres ist 
bei der durchschnittlich kleinen Statur der 'l'ruppen und dem schweren 
Gepäck, welches sie tragen, um so auffallender; sie übertrifft die der 
Deutschen und Engländer und steht nur der spanischen Leichtfüssigkei t 
und Zähigkeit nach. Als Tänzer bewegen sie sich zwischen Extremen, 
zwischen den gemessenen und graciösen Pas der Quadrille und den 
Sprüngen und Verrenkungen des Cancan oder dem Tollen eines "wilden, 
wüsten Wirloelivalzers". Ihre Vergnügungen suchen sie, ausgenommen 
im Ballspiel, das sie wohl treiben, hauptsächlich in den geistigen Ge- 
nüssen des Theaters, bei welchen sie Pathos oder Komik vorziehen. 
Namentlich für die letztere haben sie die grösste Befähigung und den 
feinsten Sinn. Auch in der Musik liegen ihre Neigungen auf Seiten der 
lüxtrcme. Viel Lärm hat an und für sich schon für den P'ranzosen etwas 
Bestechendes. In der Führung der Waffen haben sie sich den Ruhm 
erxrorben, den Stossdegen am besten zu führen, eine Waffe, die ihrem 
lebhaften und leichten Wesen vortrefflich entspricht. Der Stoss sitzt 
so iiink, wie ihr Wort fliegt, während der langsamere Deutsche und 
lünglänrlei- zu Antwort und Hieb ausliolt, und meistens derber, aber 
nicht eben gefäln-licher dadurch wird. In neuester Zeit hat der Beherr- 
scher der Franzosen, der nebenbei bemerkt, wie schon der Ementen- 
bändiger Cavaignac, sehr wenig französisches Wesen zeigt, der ver- 
schlossene, floskellose, imbewegliche Louis Napoleon hat versucht, seinen 
Nordfranzosen Geschmack am Pferderennen beizubringen, was in vielen 
Hinsichten zu loben ist. Dass er für die Südfranzosen den Geschmack 
seiner spanischen Gemahlin an Stiergefechten begünstigt, ist zu miss- 
billigen; dieses blutige, schlächtermässigc Vergnügen möchte aber leider
	        
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