Staaten.
Völker.
Das
Alterthum.
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Die Verschmelzung des römischen und griechischen Geistes dauerte
bekanntlich gegen zweihundert Jahre. Noch Cäsar war ein Römer und
handelte wie ein Römer. Die Politik des Augustus aber und sein Rath,
die Grenzen des Reiches nicht mehr zu erweitern, das war von einem
ausgeprägt antirölnischen Geiste dictirt, und verkündete, dass der alt-
römische Sinn entschwunden war.
In den letzten Jahrhunderten des römischen Reiches gab es keine
Römer mehr in eigentlicher Bedeutung des Wortes. Sie hatten ihre
Weltaufgabe erfüllt; die Länder und Völker waren sierbunden; ein Ge-
fühl der Zusammengehörigkeit herrschte vom Hochgebirge Schottlands
bis in die Wüsten des steinigen Arabiens; die Cultur war Barbaren anf-
gedrungen, staatliche Ordnung geschaffen, Recht gesetzt, das nichts
Barbarisches an sich hatte. Aber die Römer selbst waren dabei auf-
genutzt; ihr einst so eompactes Erz war mit dem Metall der unter-
worfenen Völker verschmolzen. Die Theile des Weltreichs reiften wie-
der zn Eigenbildungen heran, dabei fähig, eine. Zusammengehörigkeit
in Glauben und in Recht zu bewahren.
Wir können leider hier so wienig die Völker berücksichtigen, die
mit dem römischen Reiche verschmolzen, als wir die Völker haben in
Betracht ziehen können, die vor Griechen und Römern als die Träger
der Cnltur erscheinen, obwohl sich nichts Interessanteres denken lässt,
als sich in das geheimnissvolle Leben gerade dieser letzten zu ver-
senken.
Lemcke,
Aesthetik.