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Staaten.
Völker.
Das Alterthum.
hoifen; die Anstrengungen der Wiederbelebung verpuiften in's Blaue.
Heutigen Tags, wo gleichfalls die krummen Schreibstubenrücken wieder
durch Turnen gradgezogen werden sollen, wo aber auf geistigem Ge-
biete das Losungswort: Aufklärung, auf politischem nicht ein nur halb
verstandener Traum, sondern die Ziele: Freiheit von falscher staat-
licher Bevormundung und Einheit ohne Abklatsch und Kokettiren
mit Ideen, die vor 7, 8 und mehr Jahrhunderten Europa bewegten
wo solche Ziele gesteckt sind, da kann und wird ein Erfolgi nicht aus-
bleiben, mag er auch langsam und durch verschiedene Abirrungen l1in-
durch vor sich gehen. Der lnstinct der Zeit hat uns Deutsche geführt
zum Turnen, zu Festen und Vereinen. Nur nicht allzuviel Musik in
solchen harten Zeiten und dann immer männliche, grossartige Musik!
Die Musik soll die Empfindungen lieben und die Gedankenharte mildern.
Wir haben aber schon zu viel Empfindungen und müssen eher hart als
weich geschlagen werden. Nur nicht zu viel Tanz, denn unser Tanz ist
nicht viel mehr als Getrappel und hat darum keine grosse ästhetisch
bildende Bedeutung! Als Hauptsache bei allen Vereinen, dann auch
als sehr wichtig bei Festen erscheint die Rede. Hier wird vor allen
Dingen darauf zu achten sein, dass die Rede auch wirklich Rede sei,
die zum Verstande der Hörer spricht und ihre geistige Regsamkeit
weckt.
S0 sehr die Bestrebungen unserer Zeit anzuerkennen sind, so wäre
doch auf einige Punkte noch mehr Rücksicht zu nehmen. Das freie
Spiel der Jugend, der das Turnen häufig mit dem Anschein eines Zwan-
ges oder mit wirklichem Zwange beigebracht wird, wird zu sehr ver-
nachlässigt. Die lebhaften, viel Raum erfordernden Spiele verschwinden
mehr und mehr, wofür die turnerisclien und Wehr-Uebungen nicht ent-
schädigen; so nimmt z. B. das rührige, Gewandtheit erfordcrnde Ball-
spiel immer mehr ab. Hier müsste die Gemeinde dafür sorgen, indem
sie grössere Plätze ausdrücklich der Jugend, den Knaben, überlässt,
statt dass diese überall wegen ihres frohen Geschreies, wegen der Balle,
die Fenster entzwei schlagen könnten, verjagt werden. Würden die
Lehrer und Eltern dann zuweilen zuschauen und etwa den besten Ball-
sehläger oder Steinwerfer beleben, würde man die Knaben ermuntern,
statt sie zurückzuhalten und jedes lärmende Spiel als ungesittet zu
tadeln, so würde hier bald eine Besserung eintreten. Statt den Kindern
Hallen für den Winter zu bauen, jagt man sie selbst im Sommer gern
von den Plätzen und Strassen; statt Knabenspiele zu piiegen, bewirkt
man, dass die fünfzehnjährigcn Weisen sich womöglich des Spieles
Schämen.
Was die kriegsfähige Jugend betrifft, so wird diese, wenn sie zum
Dienste berufen wird, doch nicht mehr ausschliesslich dressirt, sondern
Symnifßtischer ausgebildet als früher. Der Mann wird mehr als Persön-
lichkeit betrachtet und die Selbständigkeit des Einzelnen für die auf-