Volltext: Populäre Aesthetik

Einseitige Ausbildung 
der 
und 
Aesthetik 
Kunst. 
die 
Behausung zu ergeben, da war plötzlich der Bau wacklig und stürzte 
krachend zusammen. Ein grosser geistiger Bankerott war die Folge. 
Die Aesthetik war eng mit der Philosophie verlniiipft und in ihre 
Schicksale. verwoben. Sie hatte einen grcssen Aufschwung genommen. 
Aber recht scholastisch ward sie von der sinnlichen Welt so viel wie 
möglich losgelöst. Die Empfindungen untersuchen, die Art und Weise 
unseres ästhetischen Urthcils erkennen, den Maassen nacihspilren, galt 
für untergeordnet. Hauptsache ward die höchste Idcenlehrc: Die 
Idee in der Erscheinung ist das Schöne. Die vielfachen Ideen sind 
Brechungen einer höchsten Idee. Dem vielfachen Schönen liegen die 
vielfachen Ideen zum Grunde. Folglich ist alles Schöne Ausiluss der 
höchsten Idee und wird erkannt, sobald diese erkannt ist. Die Idee 
aber ist geistig, folglich gicbt es nichts Schönes, was nicht geistig 
wäre. Das Natursehöne ist nur ein Reflex des Geistig-Schönen, eine 
unvollkommene unvollständige Weise, die ihrer Substanz nach im Geist 
enthalten ist.  In dieser Weise ward die Aesthetik zur Metaphysik 
oder zur Religionslehre, indem die weniger begrilfsfrohen Geister die 
absolute Idee einfach Gott nannten. , 
Die Kunst und die Künstler mussten schlecht dabei fahren. Die 
ungründlichen Franzosen riefen in der Aesthetik den Künstlern zu, die 
nach dem Schönen fragten: Ahmt die schöne Natur nach! Die 
(leutschen Gelehrten sahen mit tiefer Verzichtung auf diese, des Hippias 
würdige Dummheit herab, die das Schöne erklärte als schöne Natur, 
die doch wiederum zu erklären sei. Sie hatten darin Recht. Aber in 
der Praxis machte sich die Dummheit nicht so dumm. Der Künstler 
war doch auf die sinnliche Nattui- hingewiesen, aufgefordert seinem 
Geschmack gemiiss zu prüfen und zu wählen, dann zu arbeiten, nach- 
zuahmen in Stein, Wort, Farbe. Er bekam doch einen Stoff ange- 
wiesen. Unsere Künstler bekamen die höchste Idee, einen Gedanken, 
mit dem sie für die Darstellung wenig oder nichts machen konnten. 
Und dazu den Trost, dass die Kunst ein tiberwundener Standpunkt 
wäre, weil die Intelligenz, der Gedanke und die Reflexion, längst diese 
an das Sinnliche gebundene Kunst überdügelt hätten, die nur noch 
Stoff für unser Urtheil sei. Durch die Wissenschaft einbalsamirt zu 
werden, wäre die Zukunft der Kunst. Den Kampf, den unsere Künstler 
gegen solche bleiernen und anderer Seite wieder überhohen Anschau- 
ungen zu führen hatten, sehen wir deutlich. Die Gedankenmalerei und 
das Nazarenerthum mussten sich entwickeln, die metaphysische und 
die theologische Ansicht musste sich auch in den, durch ihre Zeit. 
wahrhaft gemarterten, Söhnen der Kunst durchringen. Die volle 
freudige sinnliche Welt war ihnen Ja als niedrig, gemein, des Schönen 
bar hingestellt.  
Es würde von wenig Einsicht zeugen, Ja den Mangel jeder histo- 
rischen Einsicht erkennen lassen, wenn man nun kurzweg ein Ver-
	        
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