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Der Mensch
seiner
Thätigkeit.
biegt die Kniee einwärts beim Halten des Schuhes, der Bäcker beim
Kneten, indem er sie gegen den 'I'rog stützt u. s. w. Der Rücken wird
krumm gezogen beim Hobeln- des 'I'ischlers, beim Schuster u. A. Durch-
schnittlich finden wir daher bei Handwerkern Verbildungen. l)as Volk
kennt sie ausgezeichnet und gebraucht sie zu Neckereien. Ferner wird
der Blick meistens wegen der Arbeit gesenkt; bei Vielen, die nicht
scharf zu sehen nöthig haben, bekommt er etwas innerliches, in sich
gekehrtes. Die Stube oder enge Werkstatt übt dann auch geistig wohl
einen dumpfen Einfluss aus. Der Mann sitzt in seinen vier Wänden,
sein Blick wird beschränkt. Die Körperhaltung während der Arbeit,
sowie die Arbeit selbst ist ferner wichtig. Gebückter Rücken, Druck
gegen den Unterleib macht melancholisch. So wird der pcehige Schu-
ster, auch 'der Weber zum Grübler und Mystiker. Der schwächliehe,
spitze Schneider, (lünnarniig, feinfingerig, beingrätschend, wird ein un-
ruhiger, änderungssüchtiger Geist, sobald er Modearbeiten bekommt,
denn seine ganze Arbeit ist dann steter Wechsel. Er ist darum stets
voran, wo es etwas Neues gicbt und huldigt enthusiastisch dem Helden
des 'l'ages wie dcr Mode. Schneider und Schuster sind seit uralten
Zeiten komische Lieblingsfiguren des Volkes. Zu den Stubenhandwer-
kern müssen wir auch die meisten Fabrikarbeiter zählen. Durch das
Zusammendrängen Vieler in ungenügende Räume werden sie blass von
Farbe; jede einseitige Arbeit, die sie zu verrichten haben, bildet auch
ihren Körper meistens einseitig aus und macht sie difform. Gerade
unter ihnen finden wir die meisten geistig wie körperlich verkümmerten
Menschen. Doch bessert es sich hierin. Die Baulichkeiten werden ge-
räumiger und zweckmässigei- eingerichtet, die Arbeitsstunden vermin-
dert, der Unterricht übt seinen Einfiuss. Was den Handwerker, auch
den sitzendsten, frischer erhielt, das fehlte dem Fabrikarbeiter und be-
ginnt leider auch dem Ilandwerker mehr und mehr zu fehlen, ohne dass
bis jetzt voller Ersatz durch Turnen und gesellige Vereinigung ge-
schaffen wäre das ist das frische Wandern, wo auch Schuster und
Schneider die Beine und den Rücken streckten und sich zu geraden
Menschen liefen, das war die Zunft, die den Gesellen auch auf das All-
gemeine hinwies, in der er Rede und Antwort stehen musste, wo er sich
als vollwichtiger Mensch erschien. Jetzt ist diese alte Form verknöchert
und wird beseitigt, weil sie der Zeit nicht mehr entspricht. Ersatz ist
aber noch nicht genügend gefunden.
Zwischen dem Stubenarbeitei- und dem Draussenarbeiter stehen
die Schlächter, Schmiede, Müller u. A. Darunter zeichnen sich die
Schlächter durch wohlgebildeten Körper aus. Ihr Geschäft drückt
ihnen aber nur zu oft etwas Brutales auf. Der Schmied ist in Folge
der schweren Hammerarbeit meistens stark von Oberkörper mit schwäch-
lichem Untergestell. Häufig ist er an Wunden, durch glühendes. ab-
springendes Eisen verursacht, hinkend; so finden wir ihn in fast allen