Bcgri
der
stik.
die ilachste Zeit die Neu-Gothik die tretfendsten Parallelen bieten.
Dort Alles regelmässig, übersichtlich, schablonenartig; Alles soll klar,
verständlich, nützlich sein; das religiöse Princip ist nicht vergessen,
aber die Kirchen sind doch Nebensachen und schulhausmassig nüchtern.
Der Bau ist weit angelegt, die Strassen sind gross und breit, aber
ganze Viertel liegen tlnangßbßllt; von einer festen Umgränzung ist
keine Rede. Die Stadtanlage verläuft ohne Wall und Mauer inis freie
Feld. Dagegen die Stadt des Mittelalters mit den engen, winkeligcn
Gassen, mit ihrem Alles überragenden Dom als llrlittelpunkt, mit all'
dem bizarren und malerischen Hauserwerk, Stockwerk über Stockwerk
aufgethürmt, mit all' dem Wechsel von Licht, Schatten und Halb-
dunkel; feste Ringmauern rings herum und enge vergatterte Thore
darin das ist die Scholastik. Ist dort die Ordnung zum Zwang
gemacht und peinlich, so hier die Willkür und die Einschachtelung
störend; hat man dort zu viel Sonne und Luftzug und zu wenig
Schatten, so fehlt Einem hier Licht, Luft und Sonnenlicht; man muss
sich angewöhnen im Halbdunkel zu tappen. Wer nicht auf's Genaueste
mit all den Strassen, Wegen und Winkeln bekannt ist, kommt nicht
aus der Stelle, verirrt und verläuft sich.
Unsere neuere Philosophie und unsere Nieu-Gothik SClHVVÄilTIlIG be-
wusst oder unbewusst für solche Zustände. Die Philosophie hat ihr
Redlichstes gethan, um in ihren Werken ähnlich zu erscheinen. Was
der Dom ist, das wurde wieder die absolute Idee oder auch echt mittel-
alterlich ein Satz der Religion. Ein Nebeneinander der Begriffe galt
nicht mehr. Begriff musste aus Begrilf herausgezogen werden, bis der
letzte so spitz war, wie die Spitze des gothischen dlhurmes. Wenn
darüber die Kreuzblume auf den Himmel und die Religion wies um
so besser. Klarheit erschien trivial. Die einfachste Wahrheit musste
wo möglich gedämpft werden, wie das helle Sonnenlicht durch bemalte
Fenster. Wer wollte läugnen, dass von der nenern Philosophie Be-
deutendes geleistet worden ist und dass eine immense Kühnheit und
Kraft sich in ihr ausspricht! Wer aber auch, dass ungeheure Geistes-
kraft durch sie nutzlos aufgezehrt worden? Wie viele Anstrengungen
sind nicht verschwendet, nur um sich in ihr zureehtzutinden! Alle die
müden Köpfe, die darüber gebrütet haben und nur zu häufig in den
dunklen Ecken und Winkeln sich verrannten! All' der geistige Hoch-
muth, der dort wieder atlsgeheelzt wurde und auf das Volk seine trau-
rigen Reflexe und (lunkelen Schatten warf! Soviel abstruses Zeug, das
in den düsteren Winkeln aufgethürmt ward! Die deutsche Nation
hat schwer darunter zu leiden gehabt. Es ist in diese Speeulationen
so viel geistiges Kapital hineingesteckt worden, dass die Arbeiten auf
anderen Gebieten steckten. Als man dann hoffte, das philosophische
Gebäude so hoch gebaut zu haben, dass dem absoluten Princip nichts
mehr übrig blieb, als sich auf Gnade oder Ungnade in seiner höchsten