Volltext: Populäre Aesthetik

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Der 
Mensch. 
monie. Der eine oder andere Theil ist nicht derartig zu denken, als 
0b er nur, etwa in der Terz, begleiten solle. Jederßwang, jeder 
sclavische Zustand ist unschön.  
Wenn Mann und Frau neben einander gestellt werden, so bilden, 
künstlerisch betrachtet, zwei junge Liebende ein harmonisches Bild 
(Capitolinisehe Gruppe von Amor und Psyche). Der ausgewachsene 
Mann überwiegt die Frau (Mars und Venus von Oanova). Hier muss 
sie ihm gegenüber verstärkt werden. Dies geschieht durch das Kind. 
Erst die Frau und das Kind wiegen den stärkeren, mächtigen Mann 
auf; in dieser Dreiheit ruht die Harmonie (Heilige Familie u. A.) 
Das Kind ist rundlich, schwellend; die Proportionen sind bei ihm 
umgekehrt, der Oberkörper ist "länger als der Unterkörper. Der Reiz 
der Kindheit liegt in den weichen Formen, dann in der noch nngebroß 
chenen Harmonie des Wesens. Der Knabe, das Mädchen werden 
herber, trockener. Die Längenrichtung fängt an vorzuherrschen. Das 
erste Anschwellen des jugendlichen Wesens zum Jüngling und zur 
Jungfrau hat seinen grossen Reiz, doch wird jener in den Flegeljahren, 
diese als sogenannter Backfisch leicht latschig und eckig. Die Glied- 
maassen entwickeln sich meistens schneller als der Rumpf, der nament- 
lich in der Breite sich langsamer ausbildet, der Körper schiesst in die 
Höhe, wächst aber dadurch aus der Kraft und kann sich nicht gut 
tragen, hängt also leicht vornüber. Maucherlei kommt hinzu, um 
diesen Entwickelungen einen komischen Anstrich zu geben. So der 
Uebergang der Stimme beim Jüngling aus Discant und Alt in Tenor 
oder Bass. Es entsteht durch den unfreiwilligen Wechsel oft das ab- 
sonderlichste Gequäk, so dass man zwei Personen zu hören glaubt. 
Das völlig entwickelte Jünglings- und J ungfrauenalter ist die blühendste 
Periode. Die Knospe ist leise geöffnet. Tausend Hoffnungen, tausend 
Träume schweben um ihren Kelch. Alles drängt nach vorwärts, ver- 
spricht noch, lässt uns Erfüllungen ahnen. Der Körper ist kräftig 
geworden, aber ist noch leicht, graziös. Arbeit und Sorgen haben 
noch nicht die Stirn gefurcht, den Blick getrübt, die Gestalt gehärtet. 
Der Geist ist flüssig, phantastisch, Alles ist vom Streben beseelt. Dazu 
kommt dann die wunderbare Erregung der Liebe, die den Körper wie 
das Seelenleben verklärt, wenn sie sich rein entwickelt. 
Beim Mann und in der Frau haben sich die FormenOgesetzt. Die 
Anmuth, die Leichtigkeit weichen der entwickelten Kraft und der Fülle. 
Der Höhepunkt ist erreicht, auch körperlich. Die Entwickelung geht 
in die Breite. So schön diese Zeit ist  eigentlich die schönste  so 
Verliert Sie leieht gegen die vorige, weil unser Blick nicht mehr durch 
die farbigen Gläser der PIotfnung auf sie schaut. Dort konnten wir 
eine noch immer höhere Entfaltung hoffen, hier haben wir sie vor 
uns, müssen uns an der Wirklichkeit genügen lassen. Reifes Alter, 
könnte man sagen, ist classische, Jugend romantische Erscheinung.
	        
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