Volltext: Populäre Aesthetik

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Der. 
Mensch. 
in belebten Wellen dann den Rücken bildend. In dem Haupte findet 
diese Bewegung ihren schönen Abschluss, in dessen Wölbung, wie 
man sagen könnte, mit der Himmelsdecke correspondirend. Im steten 
Wechsel fliessen dann die Linien, ausdrucksvoll im Gesicht, in lä11ge- 
ren Wellen über Brust, Bauch und Schenkel, wieder hinab, im Rain 
des Fusses und den rundlichen Zehen (in sich selbst zurückkehrend. 
Aehnlich bei anderer Ansicht des Körpers. 
 Der Mensch hat immer als die Krone der Schöpfung gegolten. 
In ihm hat die Natur gleichsam eine Concentration ihrer selbst von 
sieh losgelöst. Er steht auf der Erde, aber geistig Wenig an sie ge- 
bunden, ausgerüstet mit Vernunft, die sich und die Welt begreift und 
gegenständlich macht, mit Sehöpfergeist und mit Willen, der den 
Zwang des Instincts aufhebt, oder ihn doch in so feiner, erhöhter 
Weise zeigt, dass wir keinen Maassstab mehr in anderen Geschöpfen 
dafür finden. Der Mensch ist der Thierwelt gegenüber erhaben. Wohl 
gehört er dem sogenannten Naturleben an, aber nur zur Hälfte. Eine 
andersartige Welt ist ihm aufgegangen, die Gedankenwelt. 
Der Mensch ist ein aufrechtes, sich bewegendes Geschöpf, in 
welchem die Vernunft, die Selbstbestimmung alles Thierische fort- 
gearbeitet oder aufs Höchste veredelt hat. Auf Ernährung und Sicher- 
heit ist der thierische Körper angelegt. Der Mensch erscheint darin 
stiefmütterlich bedacht. Er ist kein flüchtiger Läufer, kann sich nicht 
schnell in die Erde hineinwithlen, nicht in die Lüfte schwingen, nicht 
auf die Bäume und dort von Ast zu Ast retten; kein hartes Fell, kein 
Panzer schützt ihn, keine Krallen, Reisszähne, Stosszähne, Hörner 
befähigen ihn zu tödtlichem Angriff oder Abwehr; nur die geballte 
Faust ode1' der Griff seiner Hand kann keuleilähnlich oder erdrückend 
wirken. Auch in Bezug auf die Ernährung ist er, thierisch betrachtet, 
im Nachtheil. Um an die Erde hinabzureichen, muss er sich bücken, 
eine Bewegung, die dem Bau des Rückens widerspricht und auf die 
Dauer furchtbar ermüdend wird; den Thieren gestattet ihr niederer 
Bau und der verlängerteHals und Kopf ohne Schwierigkeit die Nah- 
rung vom Boden aufzunehmen. Oder andere Thiere sind durch Klettern 
oder den verlängerten Hals befähigt, ihre Nahrung von den Bäumen 
zu pflücken. Der Arm reicht aber nicht hoch und Klettern wird dem 
Menschen nicht leicht wegen der handlosen und krallenlosen Füsse, 
des graden Rückens und der breiten Brust. Vom Fliegen und Schwim- 
men, in der Absicht Beute zu erhaschen, ist ganz abzusehen. So wäre 
der Mensch {eigentlich nur auf Erüchte angewiesen, die leicht zu er- 
reicheifsind.  XWMPD   
Ward er aber unmittelbar von der Natur stiefmütterlich behan- 
delt, S0 hat sie mittelbar ihn zu ihrem lieben Sohn gemacht, für den 
sie alles Andere hergerichtet zu haben scheint. Zuerst hat sie ihm die 
Fähigkeit gegeben, alle Bewegungen auszuführen. Er kann kriechen,
	        
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