Volltext: Populäre Aesthetik

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Das Thierreich. 
Die Uebergänge zwischen Hund und Katze, z. B. der Gepard 
sind, wie gewöhnlich die Uebergänge, nicht so schön wie die echten 
Racen. 
Der schönen Katzen giebt es viele, fast alle jedoch mit den ge- 
nannten Fehlern, die sie nur zu Zeiten überwinden, wenn das Thier 
sich aufmerksam vorne emporrichtet und fest auf den Füssen stehend 
den gewöhnlich krumm gezogenen Rücken streckt. Es giebt eigent- 
lich nur eine Ausnahme davon: der Löwe tragt das Haupt erhoben. 
Sein Nacken ist umwallt von der Mähne. Der Kopf ist gross, alle 
Theile daran wohl geformt und ausdrucksvoll, das Auge von unbe- 
schreiblicher Kühnheit und ernster Würde. So bekommt die Vorder- 
parthie des Thiers das ästhetische Uebergewvicht über den Rumpf. 
Der Löwe erscheint am wenigsten Bauchthier unter den Katzen. 
Ausserdem ist sein Gang frei; schon weil er den Kopf hoch trägt, 
geht der Eindruck des Schleichens verloren, der noch beim Tiger so 
unheimlich wird. Obwohl der eigentliche Rumpf und namentlich das 
Kreuz des Tigers meistens schöner ist als beim Löwen, dessen Hinter- 
körper nicht selten gegen den Vorderkörper schwachlich erscheint, so 
ist aus jenen Gründen der Löwe doch das edlere, schönere Thier. Er 
ist mit Recht König der Thiere genannt worden. Die Kraft dieser 
grossen Katzen ist bekanntlich ungeheuer. Die ganze Erscheinung ist 
Ausdruck dafür. Manche sind dabei feige, fast alle mehr oder weniger 
hinterlistig. Nichts gleicht aber auch ihrer Wuth. Auf den leisen 
Gang habe ich früher schon verwiesen, der bei der Grösse und Kraft 
des Körpers unheimlich erscheint. Dadurch bekommen die Katzen 
für uns etwas Antipathisches. Unsere Bewiunderung ist mit Wider- 
streben verknüpft. 
Ausser durch die Form imponirt der Löwe durch den offenen 
Muth, wenn er auch die Katzennat-ur nicht so sehr vergisst, wie man 
gewöhnlich lobpreisentl annimmt. Auch der König der Thiere liebt 
(lunkle Wege und schleichende List, aber wenn es denn sein muss, 
dann ist er ganz Wuth und Kühnheit  
WVie ein Löwe 
Grimmvoll naht, den zu tödten entbrannt, die versammelten Männer 
Kommen, ein ganzes Volk"; im Anfang stolz und verachtend 
Wandelt er, aber sobald mit dem Speer ein muthiger Jüngling 
Traf, dann krümmt er gähnend zum Sprunge sich, und von den Zähnen 
Rinnt ihm Schaum und es stöhnt sein edles Herz in dem Busen. 
Dann mit dem Schweif die Hüften und mächtigen Seiten des Bauches 
Geissclt er rechts und links, sich selbst anspornend zum Kampfe; 
Grass nun die Augen verdreht er, an vtxüthct er, ob er ermorde 
Einen Mann, ob er selbst hinstiirz' im Vordergetümmel. 
Mag Homer ihn noch weiter schildern: 
Jetzt wie ein Löw, im Gcbirg genährt, voll trotzender Kühnheit, 
Hascht aus weidendei- Heerde die Kuh, die am schönsten hervorschien; 
Ihr den Nacken zerknirscht er, mit mächtigen Zähnen sie fasseud   
	        
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