Volltext: Populäre Aesthetik

Begriü" 
der 
Aeathßtik. 
ihrer mit der ganzen, bekannten Gründlichkeit bemächtigen würden. 
So geschah es. Mit aller Kraft- der Zopfzeit  die nebenbei bemerkt 
nicht so gering war, wie sie gewöhnlich angeschlagen wird  warf 
man sich auf diese neue Wissenschaft, die ein um so beliebteres philo- 
sophisches Ackerfeld wurde, als die eigentliche Philosophie steril zu 
werden begann. 
Es ging freilich der Aesthetik, wie es wissenschaftlichen Errungen- 
schaften in Deutschland zu gehen pflegt. Unsere Gelehrten, die sich 
eben des Lateins entwöhnten, steckten in der ganzen Schwerfälligkeit 
undSchulmeisterci ihrer Zunft. Beim besten Willen vermochten sie 
nicht den läinüuss auf das Volk zu üben, den sie ihrer Stellung und 
ihrer Befähigung nach hätten üben können. Um die Wissenschaft 
zu verbreiten, musste erst das Netz (lurchrissen werden, in das sie 
sich eingesponnen hatte, und welches gewoben war aus mittelalter- 
licher Unbehülfliehkeit und deutscher Unsclbstiixidigkeit, die ihre 
classischen oder unclassischen Lehrmeister nicht aus den Augen zu 
lassen wagt. 
Es kamen Männer, die diesen Zunftkram absehüttelten. Gerade 
die Aesthct-ik hat ihnen das Grösstc zu danken. Winckelmzinn schrieb 
über die bildende Kunst und zeigte, den Schutt von der Herrlichkeit 
des Alterthums räuinend, Muster der Schönheit, aus denen man richtige 
Gesetze gewinnen, an denen man zweifelhafte erproben könne. Lessing 
schrieb seine Abhandlungen über die verschiedensten ästhetischen Ge- 
biete. Er ist der Pionir des geistigen Lebens unserer Neuzeit. Es 
giebt wenige Gebiete, in die er nicht vorgedrungen wäre, alle Schwierig- 
keiten des Weges besiegend und den Tross seiner Feinde verlachend 
oder niedcrschmetteriid. Sein Scharfsinn als Pfadfinder ist dabei 
bewundcrungswürdig. Noch heilte gilt für die Aesthetik, dass wer zu 
weit von seinen Bahnen abwandelt, schwerlich den richtigen Weg 
eingeschlagen hat. 
Nach einer oft nüchternen, durchschnittlich aber tüchtigen Periode 
wurde die gelehrte Acsthetik durch Kant auf den Ilöhepunkt jener Zeit 
geführt. Kants berühmtes Werk: "Kritik der ästhetischen Urtheils- 
kraft" ist der Abschluss der älteren und der Ausgangspunkt der 
neueren Acsthetik. Die Form desselben machte es leider nur den 
engeren Geleln-tenkreiscn zugänglich, doch fand es in vielen Bezie- 
hungen einen Dolmetscher an Schiller, dessen in Kantischem Geiste 
verfasste Abhandlungen, besonders die Briefe über die ästhetische 
Erziehung des Menschengeschlechts, zu dem Wichtigsten gehören, was 
unsere Wissenschaft aufzuweisen hat. Unbeschreiblich war jedoch 
die Erbitterung der freieren Aesthetiker, die gegen Kants Einseitigkeit 
und gegen seine philosophische Methode sich stemmten. Herders 
Acsthetik ist ein einziger Aufschrei dagegen; gleich einem Laokoen 
ringt er in den Windungen dieser ihn erstickenden Gedankenketten,
	        
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