Die
Vegetation.
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tinbewegt, die Blätter aber in fortwährender zitternder Bewegung sind,
so macht dies leicht den Eindruck des Unmotivirten, Willkürlichen,
Unruhigen. So angenehm die Blätterbewiegungen und das Schwanken
der Zweige sein können, so langweilig kann das ewige Zittern, z. B.
der Zitterpappel werden. Es kann nervös, übel machen.
Der Raum gestattet nicht einmal unsere Waldbäume näher zu
characterisiren, geschweige die Bildungen anderer Zonen zu besprechen.
Möge Jeder für sich selbst nach den ästhetischen Gesetzen darin
suchen. Das Lang, Schmal, Breit, Kurz der Blätter, ihre Form, 0b
glatt, gezackt u. s. w., Länge der Stiele, Winkel und Schraubenstellung
zum Zweig, des Zweiges zum Ast, des Astes zum Stamm, die Propor-
tionen, dann die Farbe, Grösse, Gruppirung u. s. w. ist in Betracht zu
ziehen. Die trauernde Weide, die weiche Birke, die feste Buche, die
mächtige Eiche sind danach leicht zu erklären.
Als ein Hauptcharzictei- gilt für die Vegetation trotz der zu Grunde
liegenden (icsetzmässigkeit die Freiheit. Dürftigkeit, Zwangider Ein-
förniigkeit wird uns daher sehr leicht bei ihr hässlich erscheinen, häss-
lich freilich auch das Ueberwuchern, die Willkür, die z. B. jede Haupt-
form durch Masse von Nebe-nformen überdeckt und erdrückt.
Das Stutzen und Beschneiden der Bäume im Zopfstil wviderspricht
allen ästhetisch richtigen Anforderungen und ist komisch oder unge-
reimt, je nach der Absicht. Dass der Mensch durch richtiges Weg-
nehmen des Uebertlüssigen aber auch die Vegetation verschönern kann,
versteht sich von selbst. Bei einem Glattschneiden der Hecken ist die
Vegetation nicht selbst Zweck, sondern dient nur architectonisch als
Wand.
Vom Wald und seinen Reizen will ich hier nicht beginnen zu
sprechen. Das Aufhören möchte zu schwer fallen. Dichter schildern
ihn und seine Schönheiten am besten und sie möge man fragen; Wir
Deutsche sind gleichsam eine Waldnation und haben trotz der Cultur
noch nicht die Waldfreude verloren. Möchte man doch nur in der Nähe
grosser Städte und überhaupt an schönen Punkten einzelne Forstgebiete
als wirklichen Wald belassen und nicht Alles nach der Nutzung be-
wiirthschaften! Welche Schönheit verleiht ein alter Wald! Jede Stadt
sollte einen kleinen Wald haben, der nicht Forst, sondern Hain wäre.
Wenn uns auf zu lange die Aussicht ins Weite durch den Wald
entzogen wird, so wird auch er beengend, gefängnissartig. Nur die-
selben Stämme in einerlei Richtung, z. B. angelegte Tannenforste,
machen ihn erschrecklich monoton, wie kaum nöthig zu bemerken.
Selbst der Urwald wird dies auf die Dauer. Auch sein ewiger Wechsel
wird einförmig. Kein grösserer Wald kann ohne Wiesen und Lich-
tungen gefallen, während eine Fernsicht aus demselben zum Schönsten
zahlt durch die Verbindung des Heimlichen, Geschlossenen mit der
weiten fernen Welt. Nur Vegetation zu sehen wird, so schön sie sein