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Bewegung,
Klang
Licht.
u n d
empündungen empfangen wir bei 435 Billionen Schwingungen den
Eindruck von Carminrotli. Von diesem ersten Roth der Regenbogen-
farben bis zu deren äusserstem Violett liegt eine Seala von fast
400 Billionen Schwingungen (821 Billionen Schwingungen). Ueber
diese Grenze hinaus verschwinden die Farbenerscheinungen; electrisrhe
und andere treten hervor.
Wir haben es hier mit den ästhetischen Erscheinungen allein zu
thnn, und sie nur in Bezug auf die Eindrücke zu untersuchen, welche
unsere Sinne im gewöhnlichen Zustande (lurch sie empfinden.
Wir beginnen mit der Bewegung. Was sich nicht bewegt gilt uns
im gewissen Sinne für todt. Leben und Regen und Bewegen erscheinen
identisch. Das Leben an sich erfüllt uns mit Freude, wie der Tod mit
instinctivem Missfallen, mit Scheu, Furcht oder Hass. Die Bewegungs-
losiglteit erfüllt uns darum leicht mit widerwilligen Em Jtindnngen, uräh-
rend die Bewegung für sich schon anzieht. Ihr Wechsel erzeugt auch
im Geiste ein Hin und Her, eine Bewegungsfreude, eine geistige Warme,
möchte man sagen. Bis zum Spiel der 'i'hiere kann man dieses Wohl-
gefallen verfolgen mit indischer Naturbetrachtuug_ liesse sich das
Windeswallen des Baumes und das Wogen der Welle ähnlich anschauen.
Nicht blos das Kind hat seine Freude am Bewegten; auch das Spiel
der 'l'hiere bezieht sich oft darauf; ein Körper rollt, schwankt, lauft,
iiiegt und sie sehen, eilen ihm nach, fangen, haschen, ergötzen sich
daran.
Wir können die Linie als Ausdruck der Bewegung ansehen. Der
Punkt ist für sich gleichsam todt. Bewegt man ihn, so giebt seine Be-
wegung eine Linie, die für sich schon als Lebensausdruck erscheinen
und erfreuend wirken kann. ich kann eine Linie auf und ab verfolgen
und mich der Regungslosiglteit bei ihr entreissen. Dann aber kann nun
die Linie auch schon viele Sehönheitsbedingungen höherer Art erfüllen.
Sie kann Einheit und Mannigfaltigkeit, Wechsel und Rhythmus, Freiheit
und Ordnung in der Bewegung, dann ihren Charakter scharf und rein
ausgeprägt zeigen u. s. w. Die Gerade kann Wohlgefallen erregen, weil
sie wahrhaft gerade ist. Erscheint sie mir einförmig, so wird sie lang-
weilig, aber dafür kann die gebrochene oder die Bog-enlinie die reichste
Mannigfaltigkeit, bis zur Willkür, bringen. Die verschiedensten Gesetze
können an der Linie sich zeigen, alle nach Maass, resp. nach Freiheit
und Zwang zu beurtheilen. Die in sich zurüclrkelireude Kreislinie ist
ein von der starrsten Einheit beherrschter Wechsel, wohlgefällig.
aber auch wieder zwängend, gleich der geraden dadurch der mehr ge-
bundenen Schöpfung angehörend. Willkür-lieh wird das Gekritzel. Sein
wirres, wüstes Durcheinander erscheint hässlich, wofür man nur eine
Verkritzelting von Kindern mit einer rein ausgeführten Figur des
Lineals und Cirkels zu vergleichen braucht. Ferner kann man Regel-
mässigkeit, Symmetrie, Proportion, Rhythmus oder Eurhythmie, durch