Der Humof.
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dort weiss er das Kleinste, Unbedeutendste emporzurücken; den Steck-
nadelknopf macht er zum Globus, von dem er Historien erzählt, das
Meer zu einem Glas Wasser; um die Glorie von Orionen fliegend, steht
er plötzlich betrachtend vor dem Thürklopfer oder starrt in die alte
Laterne an der Strassenecl-ze. Mit gutem Witz vereint ist er ein Ge-
sellschafter ein Gesellschafter wie John Falstaff. Man lese, wie
FalstaH und Bardolf in das Wirthsliaus zum Eberkopf treten und Sir
John die tluchwürdige Gesellschaft betrauert. Gegen solche Breitseiten
des Ilumors ist nicht Stand zu halten; er segelt jeden Ernst, jede
Griessgrämigkeit nieder, ertränkt tausend Sorgen. Er ist ein Platz-
regen gegen die Dürre; da kann nichts stockig werden; Alles muss ins
lachende Grün schicssen. Aber da ist auch die Kehrseite des Humors.
Er halt nur zu häufig nicht Treu noch Glauben; er rutscht ab, wo man
ihn halten will; er kann auf keiner Höhe stehen, ohne hinabzugleiten,
muss, wenn er schmutzige Stiefel hat, in das Reine springen. Auch er
wird leicht mittelmässig, weil er das Hohe und das Niedere zusammen-
schlägt und dann das Mittel herausrechnet. Zügellos, verliert er jedes
innere Maass, Man sehe den dicken Ritter in der Schenke; aber man
sehe ihn auch als Werbehauptinaiin, vor der Schlacht und in der
Schlacht. Sein Humor platzfeuert, als seine Mannschaft zusammenge-
hauen ist, die Schlacht auf dem Spiele steht, und selbst als sein Harry
mit dem gefährlichen Pcrcy ficht. Der Humor drückt sich leicht durch
jedes Loch, fühlt sich auch in der Gosse wohl, lügt und trügt mit
Humor, kurz, zeigt sich oft alsTatigeniehts ohne Ehre und Gewissen,
immer mit dem Deckschild des Humors, in dessen nachgiebigen Falten
alle ihm für seine Fehler und Laster zugedachten Schläge aufgefangen
werden.
Wenn der Humor Geistesfreiheit verkündet und Laune hat, so
kann diese Stärke doch auch in Schwäche ausarten. Der schlechte
Humor ist der schwache, launische Geist, der keine Llmpfindung festzu-
halten und durchzuarbeiten vermag. Er verräith nervöse Kraftlosigkeit,
die unfreiwillig, ohne Selbstbeherrschung von einem Extrem ins andere
fällt. Er findet sich darum auch häulig bei Melancholikern, Hypochon-
dern, bei Allen, wo der Wille nicht kräftig ist.
Einseitige Humoristen verderben sich durch ein Uebermaass, wie
man nur zu oft bemerken kann. Sie können keinen Stoff mehr voll und
fest ergreifen und bilden, keine Leidenschaft festhalten, keinen geraden
Weg mehr gehen, wenn sie auch wollen. Immer springen sie links oder
rechts ab. Dadurch können sie unausstehlich vrerden, wenn man mit
ihnen zu einem Ziele will. Dem Langsamsten werden sie zu langsam
und langweilig; auf halbem Wege ist auch er schon der ewigen Kreuz-
und Quer- und Seitensprünge des Humors überdrüssig und demselben
Voraus; der Humor aber ist meistens müde, wenn erst der halbe Weg
zurückgelegt ist; ist derselbe lang, so kommt er selten an, ohne lahm,