Volltext: Populäre Aesthetik

Witz. 
Ironie. 
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Zwischenstufen überspringender Weise, wodurch er eine Vergleichung 
hervorruft, die mit einem Widersinn, mit einer Nichtigkeit endet. Oder 
er bewirkt, dass wir einen Augenblick seiner Vergleichung trauten und 
einen Widersinn glaubten und dann über unsere eigene Verkehrtheit 
lachen. 
lüinc Hauptthaitigkeit des Witzes besteht im Auffinden des Aelm- 
lichen im Unahnlichen, wonach man ihn auch wohl detinirt hat. Seine 
einfachste Art ist der Wortwitz, wo eine Bedeutung eines Wortes, das 
mehrere Bedeutungen hat, mit einer andern, nicht (lahin gehörigen, 
vertauscht und dem Sinne untergesehoben wird. Ein Hauptmann ver- 
urtheilt  in der "guten alten" Zeit natürlich  einen Soldaten zu 
25 Stockpriigeln. Nach dem zwölften Hiebe sagt er jedoch: ich will 
Dir die übrigen diesmal schenken. Herr Hauptmann, versetzt der 
Soldat, Sie haben nichts zu verschenken; Sie haben Frau und Kinder. 
Hier ist Schenken im Sinne von Erlassen gebraucht, während der 
Delinqucnt es im eigentlichen Sinne als Geben fasst, und dadurch einen 
Llnsinn macht, aber auch einen Hieb fuhrt. Aehnlieh, wenn die Klang- 
ahnlichkeit eines Wortes gestattet, ein anderes hemuszuhören, um 
dieses unterzuschieben und dadurch den Widerspruch hineinzutragen. 
Für den Witz, bei dem wir über uns selber lachen, wenn wir unseren 
Irrthum gewahrcn, kann Lichtcnbergs Annonce stehen: Es ist ein 
Messer ohne Klinge verloren WOTÜBU, an dem das Heft fehlt. Hier 
kommen wir plötzlich bei dem Nichts an und lachen über den Wider- 
sinn und dann über den Umstand, (lass wir bis zum Irlrkennen desselben 
so glitubig dem Gedanken nachgegangen sind. Die verschiedensten 
Arten des Witzes kommen alle in dem Widerspruch des Komischen 
zusammen. 
Vom Witze verschieden ist die Ironie. Der Witz setzt mit einem 
Sprung an sein Opfeir oder zeigt plötzlich ein Gegenbild; er trägt eine 
Vergleichung heran. Die Ironie schiebt sich in ihren Gegenstand hin- 
ein, um ihn von innen heraus aufzulösen. Gewöhnlich geschieht dies. 
indem die Ironie bejaht, was sie als nichtig hinzustellen sucht, indem 
sie aber bejahend das Einzelne hervorhebt, die Widersprüche aufdeckt. 
und so das Ganze zersprengt. Sie unterscheidet sich vom Witze oder 
überhaupt vom Einfach-Komischen dadurch, dass sie den Gegenstand 
nicht mehr in harmloser Weise angreift, die, so scharf sie sein mag, 
doch ihn nur in eine unschädliche Nichtigkeit auflösen will, sondern 
dass sie auf eine Vernichtung im gewöhnlichen Sinne des Wortes aus- 
geht. Wahrend der Witz oder das Komische überhaupt sich damit 
begnügen, ihr Opfer laufen zu lassen, wenn sie es in den Sand ge- 
WOPfen oder erschreckt oder gezaust und ihm seinen falschen Flitter- 
sßhmnck genommen haben, verwundet der Spott, schneidet die Ironie. 
schärfer noch die Satire, der Sarcasmus, der Hohn. Sie sind ätzend. 
wohl giftig; es ist ihre Absicht zu kranken, zu verletzen. Die Ironie 
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