Das Niedrig-Komische.
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sichtigen pflegt. Rohere Zeiten sind auch darin nicht zartfühlend;
verkrüppelte Narren z. B. erscheinen ihnen stets komisch. Dasselbe
gilt von den Kindern und Ungebildeten der aufgeklarteren Zeitalter.
Auch das Böse wollen wir anführen, das in seiner Lust zu schaden
betrogen und unschädlich gezeigt wird. Der dumme geprellte 'l"eufel
ist z. B. ein beliebtes Sujet der Komik. Hier ist die Dummheit der
Gegensatz zu der bösen Absicht, der wir eigentlich Schlauheit zuzu-
schreiben pllegen, durch welche Dummheit dann das Böse nichtig ge-
macht wird und uns dadurch höchst lächerlich erscheint.
Das Reich des Komischen ist, wie man sieht, gross, und hat viele
Provinzen. Wir wollen nur noch einzelne oft genannte zusammen-
gehörige Gruppen daraus hervorheben. ,
Zuerst das Gebiet des Niedrig-Komischen, den gewöhnlichsten
Schauplatz der Volksfreutle. Alles, was zum Niedrigen gerechnet wer-
den kan das Unanstantlige, Bäurische, Tölpelhafte, Plumpe u. s. W.
gehört däiin; ferner auch Alles, was ins Hässliche hineingreift, wie
das Verwaehsene, das Entstellte überhaupt. Vor allem Andern macht
sich hierbei das Animalische des Menschen gegenüber seinem geistigen
Aufstreben und dessen Geboten geltend. Das Thierische unserer Natur
wird in Gegensatz zu den höheren Anforderungen des Lebens gesetzt
und dadurch entsteht ein lächerlicher Widerspruch. Ja, nicht nur das
Thierische des Menschen, sondern das Thier selbst wird unter diesem
Gesichtspunkt aufgefasst; seine Befriedigung der Bedürfnisse z. B.
erscheint komisch durch das Anlegen des Maasses menschlicher Wohl-
anständigkeit, was uns namentlich da geläufig ist, wo das Thier durch
den Umgang mit dem Menschen gehoben erscheint und eine Art An-
standigkeit bei ihm vorausgesetzt wird. Je höher dabei die Anforde-
rungen des sogenannten Anstands oder der guten Sitte gestellt sind,
desto komischer, freilich nur in niederer Art, der Gegensatz.
Nehmen wir ein recht niederes. Wenn ein Bauer, der über Natür-
liches natürlich denkt, einen Hund führt, der eine Nothdurft befrie-
digen muss, so wird das mehr unanständig als komisch sein, weil der
Gegensatz nicht besonders offenbar wird. Wenn aber einem geputzten
Herren oder einer Dame mit ihrem Hunde dasselbe begegnet, S0 macht
das einen sehr niedrig-komischen Eindruck. Der Widerspruch des
Anständigen und Unanstandigen tritt so schlagend hervor; 1138 Natur-
bedüifniss überträgt sich imwilllzürlich auf die Person und macht sich
da trotz Wohlgezogenheit und Etiquette so geltend, daSS Alles zer-
sprengt wird und nichts als Lachen über die Nichtigkeit überbleibt,
die aus diesen Widersprüchen hervorspringt. Je fremder das Thier
dem Menschen steht, desto schwächer die Vergleichung und desto ge-
ringer der Wliclerspruch. Je näher und verbundener, desto komischer.
Das Pferd vor dem Wagen macht in ähnlichen ltällen einen weniger
lächerlichen Eindruck, als das Pferd des Reiters. Am schlimmsten
Lemcke, Aesthetik. 2. Aufl. 7