Komische.
Das
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Phantasie genug haben, sich die Schranken hinwegzudenken, oder
nicht stolz genug sind, einen gefesselten Gegner nicht zu plagen. Die
Menge, die solche Bedenken nicht kennt, findet den grössten Spass,
ganz zu gesehweigen, wenn der Fall sich mit einem Geschöpfe ereignet,
vor dem sie keinen Respect hat. Denn wenn für das Edlere sich eher
Grossinuth oder Bedauern regt, so findet das weniger Geaehtete Seltener
Mitleid. Das Volk ist nicht zufrieden, bisees den Affen in unschäd-
licher Wuth sieht, und er die Zähne iletschend, den Käfig rüttelnd, wie
toll umherspringt. Je wüthender er sich geberdet, desto herrlicher
erscheint der Spass Der Ohnmacht des gereizten, aber gehemmten
Starken entspricht die Ohnmacht des gereiztcn und freien Schwachen.
Einen bösen Kettenhund in Ruhe zu lassen, ist Vielen ganz unmöglich,
ein wildes Thier zu plagen, ist den Meisten Genuss; einen schwachen
Menschen zornig zu machen, gilt als ein herrliches Gaudiuni, nament-
lich den unentwickelten Gemüthern, also Kindern und Ungebildeten.
Der sich offenbarende Gegensatz reizt sie unwiderstehlich zum Lachen.
Um ein Beispiel für den Umschlag des Grausigen zu haben, denke
man an die Schlussscene in Don Juan von Byron. Das Gespenst des
grauen Mönches schleicht dort in Don Juans Zimmer. Furcht und
Entsetzen sträubt Juans Haare und raubt ihm den Athem. In der
Schaam über seine feige Schwäche dringt er auf das Gespenst ein,
greift und greift die mondbeglanzte Mauer; gransend fasst er wieder
danach; da fällt die Kutte des gespenstigen ivlönchs und
YVeib.
Oifenbart den üppigen süssen Leib
Von der Fitz Fulke, dem wonnig holden
Das ist ein Umschlag, der unwiderstehlich komisch wird, komisch
wie alle sich ins Gewöhnliche auflösenden Gespenstergeschichten, die
keinen üblen Ausgang haben.
Das Ilässliche ist eine schlimme Disharmonie. Aber wie komisch
kann auch das Hässliche werden! Zuerst die Erscheinung, dass das
Hässliche so häufig von Ungebildeten für komisch erachtet wird, in-
dem sie den Schadexi nicht beachten, den das Hässliche dem bringt,
an dem es sich zeigt, auch nicht das Hässliche an sich betrachten und
dadurch mit Widerwillen erfüllt werden, sondern es in Gegensatz mit
dem setzen, dem es eigentlich gleichen sollte, dem Wohlgebildeteil
oder dem Schönen. Dann wird nur dieser Widerspruch empfunden.
Jede Verbildung wird daher von der grossen Menge, den Kindern
natürlich voran, häufiger verlacht als bedauert. Aber auch der Gebil-
dete, der sich leichter in die Lage des Verunstalteteu versetzt, wird
sich des komischen Eindrucks nicht erwehren können, wenn er be-
merkt, dass der Hässliche sich für schön hält, wenn der Verwachsene
Z- B. sich als einen Herzensräuber- betrachtet. Der Widerspruch der
Wirklichkeit und solcher Einbildung ist so schlagend, dass er unwider-