Dgs Tragische.
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weil wir in Achill den gleichen Kämpfer nicht ganz vergessen können,
vorzugsweise 'l'rauer und Mitleiden erweckend.
Mit ganzer Wucht wirkt die dahinschmetternde Macht, die das
Erhabene stürzt, wenn sie geradezu das Höchste reprasentirt.
Wenn die Gottheit oder das Schicksal das Erhabene trifft und
dieses nun im Kampfe zusammenbrieht, dann empfinden wir Furcht
und Mitleideil der stärksten Art. So in der griechischen dlragödie.
Dasselbe haben wir uns im Laokoon zu denken, indem wir sonst bei
der Betrachtung dieses Unterliegens durch zwei Bestien nur etwas Ent-
setzliches empfinden würden. Dabei (larf man aber nie vergessen, dass
nicht jedes Stürzen durch eine derartige Macht des Schicksals oder als
der Gottheit aufgefasst, tragisch ist. Der hinschmetternde Blitz, der
den Kapaneus trifft, macht dessen Ende nicht tragisch. Auch Christus,
der in Gott ergeben das IIaupt neigt und das Schreckliche des Todes
über sich ergehen lässt, ist ilieht tragisch, sondern erfüllt uns nur
mit der tiefsten Mitleidensehaft und 'l'rauer. Nur im Kampfe, welcher
Art derselbe auch sei, entzündet sich das tragische Element. Er-
gebung in ein Unvermeidliehes ist nur traurig. Gegen eine Krank-
heit ringen und sie zu bezwingen suchen, kann tragisch sein; dass
aber Jemand an einer Krankeit stirbt, hat noch gar kein tragisches
Moment in sich.
Aehnlich wie diese höchste (lenkbare Gewalt können andere auf
tieferen Stufen erscheinen. Wenn wir die vielhundertjahrigc, erhabene
Eiche von der Menschenhand gestürzt sehen, dann haben wir eine
tragische Empfindung. Was hilft ihr die Starke! Die Axt dringt in sie
hinein und wie mit mächtigen Armen verzweiflungsvoll in den Himmel
greifend, schwankt sie und stürzt sie vor den übermächtigen Gewalten.
lflätte ein anderer Baum sie im Sturz zerschlagen und niedergeworfen,
so empfanden wir kein derartiges Gefühl; es hätte nur ein Baum den
anderen nmgeworfen. Die verschiedenen Arten derartiger, das Er-
habene besiegender Gewalten sind natürlich nicht aufzuzahlen.
Eine andere, jede einzelne erhabene Kraft besiegende Gewalt kann
aus einer Summe sich verbindender Kräfte entstehen. Nehmen wir den
gewaltigsten Mensehengeist und lassen wir gegen ihn die vereinigten
Kräfte der Gesellschaft, des Stammes, des Volkes wirken. Wie stark
und fest er sein mag, so wird er unter dieser Wucht ermatten und er-
liegen müssen, so gut geistig wie körperlich. Ein Uoniiict also mit
seinem Stande oder den Anschauungen der Zeit wirkt mit tragischer,
verhängnissvoller hlacht. Romeo und Jnlie enden tragisch, nicht blos,
weil gegen sie das Schicksal im Gewande des Zufalls auftritt, nachdem
sie ihm durch Leidenschaft die Macht gegeben, 801156111 auch, weil sie
gegen Familien- und Staatsordnung in ihrer Alles irergessenden Liebe
kämpfen. S0 stark ihre Liebe ist Sie 11311811 ÄllßS gegen sich, Alles!
Und sie müssen unterliegen.