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Das Tragische.
tanzen keine grausigen Gestalten, wie die, welche Richard und Macbeth
sehen; sein Auge ist nicht verdüstert, sein Arm stark und geschmeidig,
seine BYIISÜ hebt SlCll S0 VOll wie die Heinrichs, Sein Schwert ist ebenso
scharf, sein Panzer ebenso gut, sie fechten und er fällt. Heinrich
von Wales war ihm gleich, ja noch um etwas an persönlicher Kraft und
Tüchtigkeit überlegen. Nichts Tragisches, eher etwas Schmähliches
heftet sich an diese Niederlage durch den verachteten Gegner, und nur
dadurch kommt Rührung und Trauer hinein, dass Qwir dieses Ende mit
dem so stolzen Leben vergleichen undPercy die Bitterkeit des Ver-
gleichs empfinden sehen:
Mich schmerzt nicht, der Verlust des flüchfgen Lebens
Wie D_ein an mir ersiegter stolzer Ruhm;
Der trifft den Sinn, mehr als Dein Schwert mein Fleisch.
Mitleiden bewegt uns bei solchem Anblick.
Aber auch der wilde Heinrich wächst durch seinen Sieg keines-
wegs ins Erhabene. Er hat Mann gegen Mann sich als den tüchtigsten
gezeigt, hat den tapfersten Rebellen erschlagen; aber das war ja ein
Mann wie er. Die Schuldigkeit ist in höchster Weise gethan, Erhaben-
heit ist nicht erworben. Wenn aber derselbe Heinrich von Wales
später als König Heinrich V. an der Spitze eines kleinen durch Hunger
und Krankheiten fast aufgeriebenen Heeres, von tausend Sorgen und
Gefahren, von Vorwürfen der eigenen Leute umgeben und bedrängt,
ganz er selbst bleibt, wenn man ihn unter den trüben, ängstlichen Ge-
sichtern, den hohlen Wangen der Krieger wandeln sieht, wie er Jedem
guten Morgen beut
Bescheiden jächelud
Wenn man sieht:
Sein königliches Antlitz zeigt kein Merkmal
Wie furchtbar ihn ein Heer mndriingt
Frisch ist, sein Blick, er übermannt die Schwäche
Mit heitrem Schein und holder Majestät,
Dass jeder Arme, abgehännt und bleich,
Ihn schauend Trost sich holt aus seinen Blicken;
Und allgemeine Gaben wie die Sonne
Theilt jedem sein freigebig Auge zu
Aufthanend kalte Furcht
wenn er dann die stolzen unzähligen Feinde bis zur Vernichtung mit
seiner Handvoll Krieger schlägt, dann wird er erhaben.
Hector, durch Ajas oder Diomedes fallend, würde mehr Bedauern
als tragische Empfindung erwecken. Wenn er aber dem unnahbaren
Peliden unterliegt, dann bleibt das Erhabene in ihm ungetrübt. Es ist
der Göttersohn, der Träger des unerbittlichen Seliicksals, der ihn hin-
Sireßkt. Heetoi- kämpft gleichsam mit einem Gott. So fällt er vor den
Mauern der Stadt, im Angesicht seiner Lieben trzigisrh, imnicr aber,