Verweltlichung des Papstthums.
der Piipste stand ihnen entgegen. Sie waren geistlich stark gewesen,
so lange sie weltlich schwach waren und als die uneigennützigen
Vertreter der Kirche und göttlicher Rechte erschienen. Sie verloren
diese Macht, sobald sie weltliche Interessen berücksichtigen mussten.
Derselbe Pius, der als Papst noch einmal einen Kreuzzug veranstalten
zu können glaubte, war sich schon des grossen Unterschiedes der
Zeiten sehr wohl bewusst, wenn er sich auch nicht von der vollen
Bedeutung desselben Rechenschaft gab. In einer officiellen Rede,
die er als Cardinal hielt, versuchte er diejenigen zu widerlegen, welche
der Kirche den Reichthum zum Vorwurfe machten und ihr die Ar-
muth Christi verhielten. Wenn Christus, bemerkt er dabei, um
unsers Heiles willen arm gewesen ist, so müssen jetzt die römischen
Bischöfe reich und mächtig sein, und zwar wieder um unseres Heiles
willen. Denn nur durch mächtige Hand können jetzt die Verbrecher
gestraft und ausgerottet werden 1). Die Päpste bedurften also des
Geldes und fürstlicher Macht; dies Bedürfniss entzoaaber ihren
Handlungen den Charakter des Uneigennützigen und Geistlichen und
raubte ihnen die begeisternde Kraft. Ihre Eigenschaft als geistliches
Oberhaupt der Kirche liess sich von ihrem weltlichen Fürstenthum
nicht mehr trennen; die lllaassregeln, welche sie in jener ersten Eigen-
schaft über die Völker verhängten, hatten nicht blos geistliche Zwecke,
sondern sollten auch die Mittel schaffen, um ihrer fürstlichen Gewalt
Nachdruck und Glanz zu geben. Sie waren auf einen abschüssigen
Boden gestellt, und sehr bald sehen wir sie tief in die Wirren der
arglistigen italienischen Politik verwickelt, wobei denn die Versuchung
nahe lag, die Umstände nicht blos zur Vergrösserung des Kirchen-
staates, sondern auch zur Bereicherung ihrer eigenen Verwandten zu
benutzen. Schon Sixtus IV. (1471-1484) dachte daran, seinem Neffen
einen selbständigen Fürstensitz zu schaffen; Innocenz VIII. (1484-
1492) behandelt seine, vor dem Empfange der geistlichen Weihen er-
zeugten Söhne geradezu als Prinzen; und unter Alexander VI. ver-
wandelt sich die päpstliche Curie völlig in einen weltlichen Hof, mit
allem Waffengeräusch und aller Zuchtlosigkeit der damaligen italie-
nischen Sitte. Die weltkundigen, mit schamloser Offenheit verübten
Frevel des Hauses Borgia brachten zwar eine allgemeine Entrüstung
und eine gewisse Reaction hervor. Aber zu einer Herstellung jener
früheren Idealität konnte es nicht kommen. Man durfte nur hoffen,
1) Georg Voigt, Enea Silvio de Piccolomini III. 594. Schon auf dem Baseler
Concil war eine ähnliche Theorie aufgestellt. Ranke, Päpste I. 43; Schröckh,
Kirchengeschichte XXXII. 91.