Die
Curie nach dem Schisma.
der weltliche Interessen verfolgen musste. In der avignonischen
Periode hatten sich die inneren Verhältnisse Italiens verändert.
Während es früher aus zahlreichen einzelnen Baronen und Stadt-
gemeinden bestand, welche einander bekämpften und sich in zwei
Parteien gruppirten, von denen die eine sich an die Kirche, die andre
an den Begriff der kaiserlichen Autorität anlehnte, bildete sich
jetzt eine mässige Zahl von grösseren Territorialstaaten, welche
kein stätiges Verhältniss zur Kirche hatten und ihren Vortheil mit
rücksichtsloser Energie verfolgten. Die Curie selbst hatte den Grund
zu dieser Umgestaltung des Landes gelegt; indem sie es dahin brachte,
dass die schwachen Wahlkaiser Deutschlands auf die Geltendmachung
ihrer Rechte in Italien verzichteten, emancipirte sie hier die Ge-
walthaber und entfesselte ihre Habsucht. Dazu kam dann, dass
die früh entwickelte Civilisation, das Vorherrschen des gewerblichen
Elementes und der steigende Luxus den republikanischen "Stolz und
den kriegerischen Sinn der Bürger brach und das Bedürfniss eines
kräftigen Rechtsschutzes hervorrief, dadurch aber es den Machthabern
erleichterte, jeden Widerstand im Innern zu unterdrücken und mit
Hülfe eines ausgebildeten Söldnerwesens die benachbarten kleineren
Gemeinden und Herren zu unterwerfen. Der Kirche selbst und dem
kirchlichen Systeme war diese Veränderung vielleicht nachtheilig,
aber sie kam den Päpsten in Beziehung auf die Beherrschung des
Kirchenstaates zu statten. F1'üher,_als sie den gewaltigen Einfluss
auf das gesammte Abendland ausübten, waren sie im eignen Lande
machtlos, von ihren Städten und Baronen bedroht, oft unstät und
flüchtig, selten lange im Besitze ihrer Hauptstadt gewesen. Während
ihrer Abwesenheit hatte die gesteigerte Zügellosigkeit der Parteien
ihnen günstigere Verhältnisse geschaffen. Die Macht des Adels war
durch die wilden Kämpfe der Geschlechter selbst und durch die dic-
tatorische Energie des Cola di Rienzi und einiger; anderer Partei-
häupter gebrochen, der demokratische Widerstand des römischen
Volks nach dem kurzen Traum republikanischer Herrlichkeit in ein
Bedürfniss nach Ruhe und kräftiger Herrschaft umgeschlagen, so dass
es dem päpstlichen Vicar Cardinal Albornoz gelang, durch Anwen-
dung derselben Mittel, welcher sich die weltlichen Tyrannen Italiens
bedienten, die Päpste zu wirklichen Herren des Landes zu machen.
Jenes in andrer Beziehung verderbliche Söldnerwesen war gerade
ihnen günstig. So lange es auf persönliche Leitung von Kriegs-
schaaren ankam, stand der geistliche Fürst hinter seinen ritterlichen
Vasallen zurück. Sobald geordnete Heere für Geld zu haben waren,
in dessen Erwerb die Curie in Avignon riesenhafte Fortschritte ge-