Gestaltung des Abendlandes.
Kirchlich-politische
verderbniss der Geistlichen liessen keinen Zweifel über die Un-
zulänglichkeit der bisherigen Institutionen. Der Ruf nach Reform
der Kirche an Haupt und Gliedern erscholl immer lauter, immer
mehr von allen Seiten, aber man war weit davon entfernt, jenes alte
System aufgeben, ein neues auf andrer Grundlage errichten zu wollen.
Gerade die Gefährdung der Kirche hatte die Anhänglichkeit an sie
bis zur Leidenschaft gesteigert; man dachte nur an eine Herstellung
des Alten, und das Mittel, welches man dazu wählte, das allgemeine
Concil, entsprach ganz jenem Gedanken der allgemeinen und unge-
theilten Christenheit.
Nur freilich war diese Herstellung nicht so leicht, wie es scheinen
mochte. Gerade während der avignonischen Zeit war das Selbst-
gefühl der Nationen unerwartet gewachsen, die Verschiedenheit ihrer
Interessen mehr als je zu Tage getreten, die Sorge für die Beförde-
rung derselben eine Pflicht geworden, die eine vereinte Wirksamkeit
im höchsten Grade erschwerte. Die Deutschen hatten es schmerzlich
empfunden, dass der Papst ein französischer geworden, in den Ita-
lienern war erst während der Entbehrung das Gefühl erwacht, wie
wichtig es für sie sei, die Curie zu besitzen. Die Rückkehr des
Papstes war bei ihnen der Gegenstand einer populären Bewegung
geworden, wie Italien sie kaum je gekannt hatte. Dieser ICifer machte
es Johann XXIII. möglich, auf dem Concil zu Constanz mit einer so
zahlreichen Schaar italienischer Prälaten anzurücken, dass man, um
ihrem Uebergewicht zu entgehen, statt der bisher üblichen Abstim-
mung nach Köpfen die nach Nationen beschloss. Das Resultat dieser
Massregel entsprach aber dem Zwecke nicht; bei dem Zwiespalt natio-
naler Wünsche erlangten die Italiener durch ihre Schlauheit den
Sieg, den man von ihrer Stimmenzahl gefürchtet hatte, und zwar
nicht blos den Sieg über die Ansprüche andrer Nationen, sondern
auch den über die Reformbestrebungen selbst. Die Concile zu Con-
stanz und Basel setzten Päpste ab und ein, aber schliesslich be-
herrschten wieder italienische Päpste von Rom aus die Kirche mit
derselben unbeschränkten Gewalt wie früher, und die Fürsten liessen
sich bewegen, einzeln und durch besondere Concordate auf die ihnen
durch die Beschlüsse des Concils eingeräumten Rechte mehr oder
weniger zu verzichten.
Das Papstthum ging also scheinbar neu gestärkt und in hellerem
Glanze als je aus diesen Kämpfen hervor. Aber innerlich war seine
Stellung eine andere geworden; der heilige Vater war nicht mehr in
dem Grade wie sonst das mächtige Oberhaupt der Kirche, sondern
vor Allem der Beherrscher des Kirchenstaats, ein italienischer Fürst,