Volltext: Geschichte der bildenden Künste im 15. Jahrhundert (Bd. 8)

Gestaltung des Abendlandes. 
Kirchlich-politische 
verderbniss der Geistlichen liessen keinen Zweifel über die Un- 
zulänglichkeit der bisherigen Institutionen. Der Ruf nach Reform 
der Kirche an Haupt und Gliedern erscholl immer lauter, immer 
mehr von allen Seiten, aber man war weit davon entfernt, jenes alte 
System aufgeben, ein neues auf andrer Grundlage errichten zu wollen. 
Gerade die Gefährdung der Kirche hatte die Anhänglichkeit an sie 
bis zur Leidenschaft gesteigert; man dachte nur an eine Herstellung 
des Alten, und das Mittel, welches man dazu wählte, das allgemeine 
Concil, entsprach ganz jenem Gedanken der allgemeinen und unge- 
theilten Christenheit. 
Nur freilich war diese Herstellung nicht so leicht, wie es scheinen 
mochte. Gerade während der avignonischen Zeit war das Selbst- 
gefühl der Nationen unerwartet gewachsen, die Verschiedenheit ihrer 
Interessen mehr als je zu Tage getreten, die Sorge für die Beförde- 
rung derselben eine Pflicht geworden, die eine vereinte Wirksamkeit 
im höchsten Grade erschwerte. Die Deutschen hatten es schmerzlich 
empfunden, dass der Papst ein französischer geworden, in den Ita- 
lienern war erst während der Entbehrung das Gefühl erwacht, wie 
wichtig es für sie sei, die Curie zu besitzen. Die Rückkehr des 
Papstes war bei ihnen der Gegenstand einer populären Bewegung 
geworden, wie Italien sie kaum je gekannt hatte. Dieser ICifer machte 
es Johann XXIII. möglich, auf dem Concil zu Constanz mit einer so 
zahlreichen Schaar italienischer Prälaten anzurücken, dass man, um 
ihrem Uebergewicht zu entgehen, statt der bisher üblichen Abstim- 
mung nach Köpfen die nach Nationen beschloss. Das Resultat dieser 
Massregel entsprach aber dem Zwecke nicht; bei dem Zwiespalt natio- 
naler Wünsche erlangten die Italiener durch ihre Schlauheit den 
Sieg, den man von ihrer Stimmenzahl gefürchtet hatte, und zwar 
nicht blos den Sieg über die Ansprüche andrer Nationen, sondern 
auch den über die Reformbestrebungen selbst. Die Concile zu Con- 
stanz und Basel setzten Päpste ab und ein, aber schliesslich be- 
herrschten wieder italienische Päpste von Rom aus die Kirche mit 
derselben unbeschränkten Gewalt wie früher, und die Fürsten liessen 
sich bewegen, einzeln und durch besondere Concordate auf die ihnen 
durch die Beschlüsse des Concils eingeräumten Rechte mehr oder 
weniger zu verzichten. 
Das Papstthum ging also scheinbar neu gestärkt und in hellerem 
Glanze als je aus diesen Kämpfen hervor. Aber innerlich war seine 
Stellung eine andere geworden; der heilige Vater war nicht mehr in 
dem Grade wie sonst das mächtige Oberhaupt der Kirche, sondern 
vor Allem der Beherrscher des Kirchenstaats, ein italienischer Fürst,
	        
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