Schnaaszfs Biographie.
Carl
LXXXIII
Hausarrestes geistig frisch und angeregt. Da der Abschluss der
neuen Auflage in nächster Zeit zu erwarten stand, war die Aus-
arbeitung des achten Bandes wieder wie schon oft vorher ein Haupt-
gegenstaud unserer Unterhaltung. Selmliehst wünschte Schnaase den
Augenblick herbei, wo er die letzte Hand anlegen und die Schilderung
des fünfzehnten Jahrhunderts zur Vollendung bringen könnte. Da ich
ihn früher schon hinfäilliger gesehen hatte, als dieses Mal, so schied
ich in der frohen Hoffnung, dass sein theures Leben uns auch noch
ferner
erhalten
bleiben
würde.
Diese Hoffnung sollte sich nicht erfüllen. Sieben Wochen (larauf,
am 20. Mai 1875, nahm ein sanfter Tod ihn von hinnen. Nach langem,
schwer durchkämpftem Winter hatte er die ersten milden Frühlings-
tage wieder im Freien im erquickenden Strahl der Sonne vor dem
auf einem sanften Hügel, dem Adolphsberg, mitten im Grün gelegenen
Häuschen, das er zuletzt bewohnte, verleben dürfen. Am Pfingstmon-
tag traf ihn i1n Beisein Kekules, dessen Besuch ihn zuletzt noch
erfreute,
Schlaganfall;
ein leichter
zwei
andere folgten,
dritten
die am
Tage seinem Leben ein Ende machten. Am Trinitetis-Sonntag, den
23. Mai, Nachmittags, trugen sie seine sterbliche Hülle in den
sonnigen Frühlingstag zur ewigen Ruhe hinaus, und der Künsiler-
Verein legte ihm zu der Palme den wohlverdienten Lorbeer auf
das Grab.
Nicht blos die Kunstgeschichte hat an ihm einen ihrer grössten
Meister und werkthiitigsten Begründer verloren; er war auch einer
der seltensten, reinsten und edelsten Menschen, von zartester Ge-
wissenhaftigkeit und lauterster Wahrheitsliebe, ein vornehmer Geist,
ein fleckenloser Charakter, liebevoll und treu, warm theilnehmend,
nur das Höchste erstrebend, in Rath und That stets hilfebereit.
Und nicht das Geringste war, dass er während langjähriger Leiden
die sanfte Milde, die verklärte Harmonie seines Wesens durch stille
Gottergebenheit sich bewahrt hatte. Nicht bloss jene Leiden, sondern
mehr noch die stete Arbeit des Denkens hatte seinen Zügen etwas
Durchgeistigtes, Verklartes, seiner zarten, kaum inittelgrossen Gestalt
etwas Aetherisches gegeben, so dass das Irdische nur eben noch so
viel Theil an ihm hatte, um dem übermächtigen Geiste als Hülle zu
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