Carl
Schnaaseßl. Biographie.
LXXVII
ernste abstracte Musik Hand in Hand geht, die Verhältnisse der
Nationen zu einander gewinnen dadurch neues Licht. Leider komme
ich nun von dieser grauen 'l'he0rie gar nicht zur schönen Praxis. In
meinen glücklichen Soinniertriiunien hatte ich gehofft, in diesem Winter
etwas Blusik hören zu können, aber jetzt ist die Aussicht dazu ver-
sclnvlindeii, an abendliches Ausgehen und an die Fährlichkeiten inusi-
kalischer Versanunlungen ist nicht zu denken, und dabei sind unsere
musikalischen Freunde nicht mehr da, die uns selbst in unsere tonlose
Stube noch Nachklänge Sternbcher Studien brachten."
Ich
hatte
mich
längst
(laran
gewöhnt,
ihm
alle
meine Pläne
und
Arbeiten initzutheilen. Seit ich 1853 mein erstes grösseres Werk,
das Buch über Westfalen, veröffentlichte, welches ich ihm und Kugler
widmen durfte, war er mir stets mit Rath und That wie ein väter-
licher Freund
Z UY
Seite gestanden.
Sein Urtheil,
eben
einsichtsvoll
wie
freundschaftlich,
eben
gerecht
wie
milde ,
WELT
mir
bei
allen
ineinen Arbeiten die höchste Instanz. Die Zeugnisse, die er öffentlich
mit unerschöpflicher Güte so oft für mein Arbeiten und Wirken ab-
gelegt, waren für mich stets der schönste Lohn. Mit meiner Heim-
kehr nach Berlin wurde das Verhältniss nur noch inniger.
den Genuss, den sechsten Band seines Buches entstehen
Ich hatte
und fort-
schreiten zu sehen und (lurfte nlanches
(lurch den Mund des verehrten Meisters
Capitel
kennen
aus dem Manuscript
lernen. Im Sommer
1860 ward mir abermals das Glück zu Theil, eine wenngleich kürzere
Studienreise mit dem Freunde durch Belgien machen zu dürfen. Wir
sahen Löwen, Brüssel, Antwerpen, Gent, Brügge und versäumten
nunxentlicli nicht, auch Tournay aufzusuchen, wo uns besonders in
den Kirchen und in der Sammlung des Herrn du Mortier die merk-
würdigen Sculpturen
fesselten.
(Iortigen Schule
der alten
Dort schieden
sich wieder llllsere Wege, und während Schnaase sich heiniwäirts wen-
dete, setzte ich meine Reise in entgegengesetzter Richtung fort, um
Paris sowie das nördliche und mittlere Frankreich kennen zu lernen.
Noch einen Winter sollte ich dann mit Schnaase in Berlin verleben.
Als ich mich Ostern 1861 losriss, um dem Rufe nach Zürich zu folgen,
blieb ich fortan mit ihni nur brieflich verbunden, wobei indess oft wieder-
holte gegenseitige Besuche auch den mündlichen Verkehr erneuerten.