Charakter.
Brunellescds
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Eisenbänder gehalten, als Engel in der Luft schwebten und aus dem
Kreise der um Gott den Vater versammelten Heerschaaren der Erz-
engel zur Jungfrau herabstieg. Vasari giebt davon eine weitläufige
Beschreibung.
Brunellesco war von Gestalt klein und unscheinbar; Vasari
nennt ihn sogar hässlich, obgleich die auf uns gekommenen Bild-
nisse, namentlich das auf seinem Grabe befindliche, von seinem
Schüler Bugiano herrührende, keinesweges unangenehme Züge zeigen.
Sein Benehmen war liebenswürdig, gegen Männer, die ihm imp0nir-
ten oder von denen er lernte, ehrerbietig und fügsam, gegen Alters-
genossen und Freunde theilnehmend, uneigennützig, wohlwollend,
gegen Feinde und Neider aber zurückhaltend, misstrauisch, man
1115011136 fast Sagen arglistig Der vorherrschende Zug in seinem
Charakter war die edle Ehrbegierde, sich durch nützliche und be-
deutende Leistungen auszuzeichnen, verbunden mit einer Kühnheit
des Geistes, die ihn nach den höchsten Zielen streben liess. Vasari
spricht dies mit einem Worte aus, das zwar mehr seiner eigenen
Zeit, als der des Brunellesco angehört, aber doch für den ächt
italienischen Charakter desselben höchst bezeichnend ist. Er schreibt
ihm eine "smisurata terribilita", eine maasslose, energische Leiden-
schaftlichkeit zu, welche, wie er erklärend hinzufügt, ihn antrieb,
stets schwierige und fast unmögliche Dinge zu unternehmen und zu
allgemeinem Erstaunen durchzuführen, welche ferner den Aufgaben,
die ihm unter die Hände kamen, so unbedeutend sie scheinen moch-
ten, eine gewisse Grossartigkeit verlieh. Der Eifer, zu schaffen, seine
Talente für Andere, für das Vaterland, für die Nachwelt zu ver-
wenden, war verbunden mit dem Bedürfniss, dafür anerkannt zu
werden, Ruhm zu erlangen. Dafür war ihm keine Anstrengung zu
gross, kein Opfer zu schwer, die höchste Anspannung seiner Kräfte
schon selbst ein Genuss. Er arbeitete dafür mit einer Beharrlich-
keit und Hingebung, die durch keine Lockungen unterbrochen, durch
keinen Widerstand geschwächt wurde; aber er verschmähte auch
nicht die Mittel der Vorsicht oder List, um sich den Erfolg zu
sichern. Sein Leben wurde dadurch ein ernstes und mühevolles;
er hatte stets zu sinnen und zu arbeiten und zugleich gegen wirk-
liche oder vermeintliche Angriffe oder Intriguen seiner Nebenbuhler
sich zu wehren und zu kämpfen. Edle Offenheit ist in den Ge-
schichten der italienischen Künstler ein seltener Zug; auch Bru-
nellesco befürchtete stets, dass seine Gedanken von Anderen aus-
gebeutet werden möchten und wurde daher verschlossen. Aber das
hinderte ihn nicht, gesellig und heiter zu sein; auch dies war ein