576
Filippo Brunellesco.
scheinlich, dass, wenn auch nicht das Wort, so doch der dem-
selben zum Grunde liegende Gedanke von Brunellesco selbst aus-
ging und dass er dergleichen berechenbare Proportionen, zu denen
sein mathematischer Sinn hinneigte, schon bei den Alten zu ünden
geglaubt hat. In der That kommen sie in ähnlicher Weise auch in
seinen anderen Bauten vor.
Der Einfluss der Antike ist in diesem ersten nach der Rückkehr
von Rom ausgeführten Werke etwas stärker, als in seinen späteren
Bauten. Während er in diesen gewöhnlich die Säulen durch Bögen
verbindet, tragen hier Säulen und Pilaster durchweg gerades Gebälk
mit dreigetheiltem Architrav, einem mit Medaillons und Engelsköpf-
chen verzierten Friese und wohlgebildetem Kranzgesimse. Aber den-
noch bewegt er sich schon hier mit vollster Freiheit, modificirt die
Antike nach seinem Gefühl und seinen Gedanken, selbst das so oft
vorkommende korinthische Capitäl erhält bei ihm eine eigenthümliche
Gestalt. Die Kuppeln bildet er zum Theil mit Rippen, also mit einer
gothischen Reminiscenz, immer aber mit Gewölbzwickeln, wie sie erst
in Byzanz erfunden und den römischen Baumeistern noch nicht be-
kannt gewesen waren. Auch die Anlegung von Wandbögen über dem
geraden Gebälk, zur Motivirung der Kuppel, hat kein Vorbild in der
Antike, und die Zusammenstellung von glatten Säulen mit cannellir-
ten Pilastern, wie er sie hier in der Vorhalle und in seinen späteren
Bauten wiederholt und mit oifenbarer Vorliebe anwendet, entspricht
dem römischen Herkommen nicht. Er weicht hier offenbar bewusster
Weise von demselben ab, hält es für vortheilhafter, die freistehende
Säule von dem benachbarten Pilaster zu unterscheiden, als beide
gleich zu behandeln. Für die Kreisform hat er eine Vorliebe, die
augenscheinlich nicht aus der Antike entlehnt ist; Medaillons sind
ihm ein beliebter Wandschmuck und Fenster bildet er gern kreis-
rund, oder, wenn länglich, dann doch mit einem Halbkreise. Bei
Fenstern und Thüren hält er den Begriff der Raumöifnung con-
sequent fest, umgiebt sie daher mit einer überall gleichen Um-
rahlnung und vermeidet, ihnen, durch das Kämpfergesimse oder gar
durch Säulen unter dem Bogen, eine selbstständige constructive Be-
deutung zu geben. Die Thüren sind rechtwinklig, wenn auch manch-
mal über dem Gesimse mit einem Rundbogen ausgestattet, aber er
ist so besorgt, den Begriff der Einrahmung anzudeuten, dass er die
Gliederung stets am Fusse des Thürpfostens rechtwinklig umbiegt,
S0 dass sie nur durch die Thüröffnung abgeschnitten erscheint.
An diesem kleineren Gebäude lernen wir dann auch unseren
Meister in einer Eigenschaft kennen, deren Geltendmachung er sich