Entdeckung neuer Welttheile.
559
und von den übrigen Nationen theils einfach aufgenommen, theils
nach ihren besonderen Bedürfnissen umgestaltet wurden. Die grossen
Ereignisse, in denen dieser Process zur Ausführung kam, sind theils
zu bekannt, theils zu reichhaltig, als dass ich mich auf ihre Einzel-
heiten einlassen dürfte. Es genügt, sie einfach aufzuzählen, um uns
so den Eindruck zu vergegenwärtigen, den sie auf die Zeitgenossen
machten und der sich in der Kunst widerspiegelt.
Voran gehen die grossen Erfolge der Seefahrt und die Ent-
deckungen neuer Länder und Welttheile. Das Bedürfniss nach einer
Aussenwirkung, das nach Beendigung der Glaubenskriege und dem
neuen Zeitgeiste gemäss eine mehr mercantilische Richtung nahm,
gab dazu den ersten Anstoss und trieb das kleine, auf schmalem
Küstenstreifen zusammengedrängte Volk der Portugiesen zu plan-
massigen Seefahrten, die schon 1419 die Entdeckung von Madeira,
dann das ganze Jahrhundert hindurch die weitere Kenntniss der
afrikanischen Küste und des daran stossenden Meeres und endlich
1498 die Umschiffung des Vorgebirges der guten Hoffnung bis nach
Indien zur Folge hatten. Aber die Erstarkung der spanischen Mon-
archie musste mit italienischer Wissenschaft und mit dem leiden-
schaftlichen Eifer italienischer Individualität zusammentreffen, um
das weltumgestaltende Resultat der Entdeckung Amerikas herbeizu-
führen (1492 bis 1498), das sofort, wenn auch nicht durch eigenen
Ländererwerb, so doch in seiner allgemeinen Wirkung, allen Völkern
des Abendlandes zu Gute kam. Es gab ihnen das Bewusstsein der
Ueberlegenheit ihrer Bildung über alle anderen Völker und eine Weite
des Blicks in räumlicher und zeitlicher Beziehung, wie sie keine
frühere Zeit gekannt hatte.
Die praktischen Wirkungen, welche dies grosse Ereigniss auf
den Verkehr und auf die Machtverhältnisse der europäischen Länder
ausüben konnte, lernte man erst spät und allmälig kennen; die
Mittel, welche man auf die Besitzergreifung dieser noch unbekannten
Länder verwandte, waren anfangs gering und hemmten daher die
weitere Entfaltung der politischen Macht im Abendlande in keiner
Weise.
Hier war Frankreich nach alter Weise das vorangehende Land;
das Gefühl seiner überwiegenden Macht reizte es schon 1494 zu
einem Eroberungszuge nach Italien, der dann mehrmals wiederholt
eine Einmischung Ferdinands des Katholischen von Spanien, dann
auch, wiewohl zunächst mit schwachen Kräften, des Kaisers Maxi-
milian, und so Kämpfe dieser fremden Mächte auf italienischem
Boden und wechselnde Bündnisse zwischen diesen auswärtigen und