Volltext: Geschichte der bildenden Künste im 15. Jahrhundert (Bd. 8)

Historisch- 
-politische Literatur. 
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zuforschen, wie das Land in diese ungünstige Lage gekommen, welche 
erblichen Fehler dahin geführt, wie ihnen abzuhelfen sei. Man war 
3150 auf histßrisehe und politische Studien angewiesen, fühlte das 
Bedürfniss, die volle Wahrheit zu sehen und Anderen darzulegen, 
und konnte nicht verkennen, (lass die Volkssprache dafür das ge- 
eignete Medium sei. Eine Reihe von mehr oder weniger bedeuten- 
den Schriftstellern, darunter auch Macchiavell und Guicciardini, be- 
dienten sich ihrer, und das Geschichtswerk des Paul Jovius, das 
derselbe schon in den Tagen Leo's X. anfing und weit über die- 
selben hinaus fortsetzte, beweist, trotz seines augenscheinlichen Be- 
mühens, das lateinische Wort den modernen Verhältnissen anzupassen, 
wie unumgänglich nöthig dies war. Auch so entgingen sie dem Zwie- 
spalt nicht ganz, in welchen die Nation durch jenen Versuch der 
Wiederbelebung des Alterthums gerathen war. Auch sie, obgleich 
praktische, meistens sogar thätig mitwirkende Politiker und beob- 
achtende, scharfblickende Männer, haben doch in gewissem Grade 
den historischen Faden verloren, sie kennen die nächste Vorzeit nur 
unvollkommen, sie wissen keine anderen Beispiele zur Vergleichung 
heranzubringen, als die des entfernten Alterthums, dessen Verhält- 
nisse sie keinesweges durchdringen. Macchiavell knüpft seine Be- 
lehrung an die ersten zehn Bücher des Livius, deren Inhalt, wie uns 
Neueren unbezweifelt feststeht, ein durchaus sagenhafter ist, und 
seine zum Theil sehr feinen und geistreichen Bemerkungen haben 
ihren Werth nur durch ihre allgemeine, näher zu prüfende Wahrheit, 
nicht durch die Beispiele, auf die er sie stützt. Sie haben dadurch 
den Vorzug, dass ihre anregende Kraft nicht an eine bestimmte Zeit 
gebunden ist, aber sie waren eben deshalb für die damalige Gegen- 
wart Italiens unpraktisch und selbst gefährlich, weil sie vermöge ihrer 
Allgemeinheit auch zu den kühnsten und frevelhaftesten Plänen ver- 
leiten konnten. Wie wenig diese historisch politische Literatur den 
sittlichen Begriffen des Christenthnms Rechnung trug, wie unverhüllt 
sie die Selbstsucht als das allein geltende Motiv des Handelns an- 
erkannte, wie weit sie in der Gleichgültigkeit bei der Wahl der 
Mittel zu dem politischen Zwecke ging, habe ich schon früher be- 
merkt. 
Neben diesen ernsten Verhältnissen und der ernsten Literatur, 
welche sie begleitete, setzte dann aber die leichte und frivole Poesie 
ihren Weg ungehindert fort. In der Zeit, wo die Erstürmung Roms 
mit allen ihren Greueln ein Bild darbot, welches recht geeignet war, 
die Gemüther ohne Unterschied zu schrecken und zu erschüttern, 
schrieb Berni an seinem Orlando innamorato, in welchem er das
	        
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