Volltext: Geschichte der bildenden Künste im 15. Jahrhundert (Bd. 8)

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Historische Einleitung. 
Uebermuths in das männlichen Ernstes und verständiger Reliexion 
übergegangen. 
Damit hing es zusammen, dass die Poesie auch die christlichen 
Gegenstände nicht mehr so wie früher übergehen zu dürfen glaubte. 
Leo X. selbst begünstigte solche Unternehmungen. Als er davon 
erfahren, dass der berühmte Sannazar an einem Gedichte über die 
Geburt Christi (de partu virginis) arbeite, belobte und bestarkte er 
ihn in diesem Vorhaben durch ein besonderes Sendschreiben. Den 
Hieronymus Vida, dessen Gedicht über das Schachspiel den Papst 
so entzückt hatte, dass er versicherte, ein Sterblicher könne so Vor- 
treiifliches nicht ohne göttliche Eingebung leisten, trieb er an, seine 
Muse nun auch einem christlichen Gegenstande zu weihen. Beide 
Gedichte nahmen indessen längere Zeit in Anspruch und erschienen 
erst nach Leo's Tode. Beide zeigen, dass ihre Verfasser es mit dem 
Christenthume ernsthaft nahmen, dass sie ihre besten Kräfte an einen 
so hohen Gegenstand setzen wollten, aber keines von beiden lasst 
eine warme Begeisterung durchblicken. Sannazar ist noch ganz in 
jener Mischung heidnischer und christlicher Vorstellungen befangen, 
wie die Humanisten des vorigen Jahrhunderts; er lässt nicht etwa 
einen der Propheten, sondern den Proteus die Geburt des Heilandes 
vorhersagen, die Jungfrau wird vor diesem grossen Ereignisse als 
die Hoffnung der Götter (spes fida Deorum) gepriesen, Nymphen, 
Dryaden, Nereiden kommen zahlreich vor. Schon Erasmus fand dies 
anstössig und Vida mag dasselbe Gefühl gehabt haben, wenigstens 
verzichtet er in seinem fast zehn Jahre nach dem des Sannazar er- 
schienenen Gedichte auf allen mythologischen Apparat; aber es ist 
rhetorisch und frostig. Auch so aber bildet er unter den Poeten 
seiner Zeit noch eine Ausnahme; alle Anderen stehen ganz auf dem 
Boden des Sannazar. Die Coryciana liefert dafür eine Blumenlese; 
die Heiligen, welche jene Gruppe des San Savino darstellte, werden 
nicht anders als Dii, Götter, genannt, und wenn einer der Dichter 
dem gastfreien Gorizius nach langem Leben die ewige Seligkeit 
wünscht, so wird das dadurch ausgedrückt, dass er an den Mahlen 
der Götter frohen Antheil nehmen, den irdischen Falerner mit besse- 
rem Nectar vertauschen mögel). Indessen bei dieser Gelegenheit 
möchte das noch als eine erlaubte poetische Licenz hingehen; allein 
wie ernst es der ganzen Zeit damit war, beweisen am deutlichsten 
die Bullen, welche Bembo für Leo X. abfasste und in welchen er 
L 
1) Vgl. für 
456, 459, 527. 
diese 
und 
die 
vorhergehenden 
Thatsachen 
Roscoe ,
	        
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