546
Historische Einleitung.
Nepotismus und seine Intriguen, die bis zur Begünstigung von Ver-
schwörern und Mördern gingen, das übelste Beispiel; unter Inno-
cenz VIII. war selbst das Anstandsgefühl bei den Geistlichen so sehr
erloschen, dass es eines ausdrücklichen Verbotes von ihm bedurfte
(1488), um sie davon abzuhalten, als Wirthe von SpielqjTrink- und
Buhlhäusern aufzutreten 1). Von derwKirchiai" war also die Rettung
niehtwziihunerwarten; das Bedürfniss einer kräftigen sittlichen Gegen-
wirkung musste sich daher jedem ernsten und einsichtigen Manne
aufdrängen. Schon jene platonischen Studien hingen mit diesem Be-
dürfnisse zusammen, aber sie gewährten doch mehr eine aesthetische
Befriedigung, als tiefe, sittliche Kräftigung. Die vagerpantheistische
oder theistische Frömmigkeit, welche durch sie erweckt wurde, konnte
auf die Länge nicht genügen; sie regte nur an, ohne zu sättigen.
Daher denn auchwdie" auffallende Erscheinung, dass die hervor-
ragendsten Mitglieder dieses gelehrten Kreises sich später ganz der
positiven kirchlichen Lehre zuwandten. Pico _von_ Mirandola, der
duräifäeine"Neigungen mystischemGeheimlehren darauf vorbereitet
war, Poliziano, der sogar, seinem Wunsche gemäss, im Dominicaner-
kleide beerdigt wurde, Lorenzo von Medici selbst, der, nach dem
Berichte Poliziands, in erbaulicher Weise starb und sogar den ihm
gegenüber so spröden und anscheinend ungerechten Savonarola um
seine Benediction bat, und endlich der jüngere Pico, der Neffe jenes
berühmteren, der sogar zum eifrigen und wundägläubigen Anhänger
und Lebensbeschreiber Savonarolas wurde. Indessen, zu einer weit
ausgebreiteten, populären Wirksamkeit waren diese Gelehrten nicht
geeignet, diese kam von anderer Seite her.
Schon im Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts war zu Fiesale,
also fast im Angesichte der lebenslustigen und gelehrten Hauptstadt
Toscana's, ein neues Dominicanerkloster gegründet, welches durch
den Eintritt mehrerer ausgezeichneter Jünglinge von tief andächtiger
Gesinnung, namentlich des nachherigen hochverehrten und von der
Kirche heiliggesprochenen Florentiner Erzbischofs Antgpwinus und des
berühmten, liebenswürdigen Malers Fra Giovanni Angelico, sowie
einiger Anderer, eine Schule frommer Gesinnung wurde. Im Jahre
1436 wurde die Genossenschaft nach Florenz in das von Cosmo VOR
Medici so reichlich ausgestattete Kloster von SanmMarco versetzt
und befand sich also nun in dem Hauptsitze humanistischer Gelehr-
samkeit und üppiger Lebenslust. Sie erhielt sich indessen davon
unberührt und blieb in ihrer demüthigen, stillen Wirksamkeit, bis
Savonarola,
1) Perrens, J ärome,
Paris
1853,