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Einleitung.
Historische
Es lag auch darin eine Einwirkung und zugleich ein Ueberbieten
der Humanisten. Die geniale Leichtigkeit, mit der sie kokettirten,
war nicht ohne Einfluss geblieben; man war sich dadurch der Ver-
schiedenheit von Ernst und Scherz bewusst geworden, wollte jeden
in seiner Weise behandelt haben und versehmähete daher, wo es auf
blosse Unterhaltung ankam, den Docententon und die preciöse Form,
die im Ganzen noch in der Prosa und Poesie herrschte.
Andererseits aber erstrebte man auch eine Erweiterung und eine
rernstere Behandlung des wissenschaftlichen, Stoffes; man fühlte, dass
das Studium der klassischerWScliriftsteller noch nicht ausreiche, um
sich auf dem Standpunkte des fünfzehnten Jahrhunderts zu orientiren.
Man bewegte sich nach verschiedenen Seiten. Flavio Biondo (1- 1463)
erforschte die Urkunden des Mittelalters, um die Geschichte Italiens
weiter zu führen, PicomMvoiiwhliiiiandola (1463-1494), dieser jugend-
liche Polyhistor, warf sich sogar mit Eifer auf das Studium des
Hebräischen und der Kabbala. Vor Allem aber regte sich das Streben
nach beisserenillgVerständniss der Natur, das wir schon bei Dante
wahrnalihwieril; zunächst zwar hauptsächlich in künstlerischer und
praktischer Beziehung, hier aber sehr mächtig. Die Zeit, wo die
Künstler bloss aus der Erinnerung oder nach handwerksmässig fest-
gestellten und überlieferten Regeln arbeiteten, war vorüber. Man
wollte klar sehen und mit Sicherheit operiren. Architekten, hlaler,
Bildhauer bemühten sich, jeder im Bereiche seiner Kunst, die Gesetze
derMNatur ziiergrühden, die BegelirderWMechanik, der Perspective,
Untenden" Künstlern selbst oder in Verbindung mit ihnen "finden
sich dann auch wissenschaftlich angelegte Geister, welche mehr in
die Tiefe dringen und die vereinzelten Erfahrungen zu vollständigen
Systemen verarbeiten, wie Leon Battista Alberti, wie der Franciskaner
Luca Pacioli, der zu seinen mathematischen Studien zum Theil durch
die Freundschaft mit den Malern Pietro della Francesca und Leonardo
dajiggiwgeleitet wird, wie endlich dieser selbst, der dann den Grund-
satz eigener Beobachtung mit theoretischer Bestimmtheit ausspricht
und so mit dem mittelalterlichen Princip der Autorität vollständig
bricht. Ausser den künstlerischen Interessen wirkten aber auch
andere auf die Förderung der Naturwissenschaften ein. Namentlich
gediehen geographische und astronomische Studien. Der fiorenti-
nisehe Arzt Paul Tloscanellil, der schon im Jahre 1467 den berühm-
ten Gnomon im Deine zu Florenz errichtete, verfolgte seit 1471 den
Gedanken, Indien durch eine westliche Fahrt zu erreichen, von dem
er dann 1477, da er von dem ähnlichen Plane des Columbus gehört