Romantische Poesie.
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indem er das Thema zu seinem "Morgante maggiore" aus dem in
Italien so sehr beliebten Sagenkreise der Paladine Carls des Grossen
entlehnte, aus dem dann auch gleichzeitig oder sehr bald darauf der
Graf Bojardo, am Hofe der Este in Ferrara, den Stoff zu seinem
"Orlando innamorato" entnahm, der dann endlich einige Jahre später
durch Ariost fortgesetzt und weit übertroffen ward. Der Ton in allen
diesen Gedichten ist wesentlich derselbe. Von einem schwärmerischen
Hinaufsehen zu jenen ritterlichen Helden, wie es in den anderen
Ländern noch vorkam, ist hier keine Spur; aber ebenso wenig von
einem gegen solche thörichte Vorliebe gerichteten tief einschneiden-
den Spotte, wie im Don Quixote. Die Dichtung war keinesweges
zunächst für den Druck bestimmt, sondern zum Vorlesen in festlichen
Kreisen. Der Zweck war also vorherrschend fderieiner leichten ge-
selligen. Unterhaltung, bei der man um so lieber die bunten, phan-
tastischen Abenteuer und Wunder der Ritterromane zum Grunde
legte, weil sie den Vortheil boten, an Situationen und Gestalten an-
zuknüpfen, welche den Zuhörern bereits bekannt waren. Es war
auch dabei etwas von Reaction gegen die Humanisten, deren latei-
nische Verse und Reden eine Zeitlang jene beliebte Lectüre verdrängt
hatten. Aber zugleich war man doch über den Standpunkt jener
Ritterromane hinaus, wollte sich ihnen nicht mehr mit unbedingter
Glaubigkeit unterordnen, sondern Neues und Eigenes hinzufügen,
Novellen, scharfsinnige Allegorien, mythologische Gestalten einmischen,
tiberhaupt auf der Höhe der Bildung stehen und auf das, was man
den humanistischen Studien verdankte, keinesweges verzichten. Daher
brauchte man es denn auch mit jenen phantastischen Ueberlieferun-
gen gar nicht genau zu nehmen; es kam nicht sie
buchstäbliclifiwmahir seien. Es hatte einen Reiz, den Eingeweihten und
Zweifelnden zuzulächeln; man gewann durch diese ironische Haltung
den grossen Vortheil, dass man das Abenteuerliche und Wunderliche
noch immer mehr übertreiben konnte, den Vorwurf des Unwahr-
scheinlichen ga.r nicht zu fürchten brauchte. Man konnte dann auch
leichter pikante Anspielungen oder auch Schmeicheleien, die zu stark
waren, um ernsthaft ausgesprochen zu werdenfdarin anbringen; die
Ironie gab immer einen Ausweg, man liess es dahin gestellt, was
eigentlich damit gemeint sei. Es war eben der Ton leichter Con-
Vgygatiql], bei welcher es weniger auf den Gegenstand," "als auf die
Art des Vortrages, auf Verstand, Gewandtheit, Grazie ankommt, und
deren Hauptreiz darin besteht, dass Nichts erschöpft wird, dass die
Person immer über der Sache steht; die künstlerische Ausbildung
dieses Talentes war recht eigentlich die Aufgabe dieser Gattung.