Volltext: Geschichte der bildenden Künste im 15. Jahrhundert (Bd. 8)

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Historische Einleitung. 
näherem Betrachten diese Lehre derjenigen, welche bei Dante und 
noch mehr bei seinen Vorgängern herrschte, der Theoriewxron der 
edlen Seele und der erziehenden Kraft der Liebe, sehr ähnlich war 
und daher schon ein vorbereitetes Verständniss fand. 
Dies erklärt denn, dass gleichzeitig mit dieser gelehrten Reaction 
auch eine po uläre sich erhob. Die Verachtung, mit welcher die 
Humanisten ädie Volkssprache herabsahen, hatte wirklich die 
Folge gehabt, dass die Nationalpoesie nach dem mächtigen Auf- 
schwunge im vierzehnten Jahrhundert so gut wie verstummt war. 
Zwar fehlte es nicht an Volksliedern oder an scherzhaften und sati- 
rischen Reimereien, wie sie besonders den Italienern unentbehrlich 
sind; auch fand sich von Zeit zu Zeit irgend ein Verehrer des pe- 
trarchischen Wohlklanges, der seine wirklichen oder fingirten Liebes- 
gefühle in einem Sonett ergoss. Und selbst die humanistischen Poeten 
liessen sich wohl ein Mal zu einem italienischen Verse herab. Allein 
das waren vereinzelte Versuche, ohne höhere Bedeutung. Jetzt plötz- 
lich, und zwar wiederum in Florenz und in dem Kreise, der sich un1 
Lorenzo vonwhledici sammelte, ja unter seiner eigenen, kräftigsten 
Mitwirkung, änderte sich dies. Ohne Zweifel lagen dabei allgemeine, 
auch ausserhalb dieser Sphäre wirkende Ursachen zum Grunde. Das 
italienische Nationalgefühl, welches die Humanisten so eifrig pfiegten 
und vermöge dessen sie auf die anderen Völker als "Barbaren" mit 
Verachtung herabsahen, war denn doch allmalig auch auf die nicht 
lateinisch redenden Klassen übergegangenl). Da war es dann zu 
unnatürlich, dass "gerade die lebende Sprache dieses hervorragen- 
den Volkes zum Schweigen verurtheilt sein sollte. Dante's und 
Petrarca's Poesie, obgleich von den Humanisten und in der vor- 
nehmen Welt vernachlässigt, waren noch nicht vergessen; man be- 
merkte, dass die Sprache, trotz jener Vernachlässigung, Fortschritte 
gemacht, dass sie eine jugendliche Frische habei). Man verzichtete 
ungern auf den Wohlklang des Reims, den die lateinische Poesie 
nicht gewährte. Endlichmussten die, welche beider Sprachen mächtig 
1) Der Barbier Burchiello (i- 1448) zu Florenz beginnt ein Gedicht voller lo- 
caler Satire gegen die verschiedenen Stände mit einem Anrufe Italiens, als der 
Königin Europaßs. 
i) Lorenzo von Medici, in der Einleitung zu dem Commentar seiner Sonette, 
indem er sein Dichten in der Muttersprache rechtfertigen und entschuldigen zu 
müssen glaubt, spricht von der "adolescenza di questa lingua" und hofft, „da sie 
täglich eleganter und schöner werde" (piü elegante e gentile), auf künftige grössere 
Vollkommenheit. Ein Abdruck dieser sehr merkwürdigen Abhandlung bei Roscoe, 
Lorenzo de' Medici (Heidelberg 1826), Vol. IV, p. 292.
	        
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