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Historische Einleitung.
hältnisse, die Unsicherheit..ihrer Stellung, ihre Abhängigkeit von
Ftirsten, deren Gunst sie sich durch Schmeichelreden und durch
bereitwilliges Eingehen auf ihre Wünsche und Launen erwerben und
erhalten mussten, ihre sophistisehewSchriftstellerei, die, je nach Gunst
und Bezahlung, ohne Ueberzeugung angriif und- vertheidigte, ihrWVer-
hältniss zur Kirche, "der siemmehr oderweniger dienten, ohne kirch-
licheGesinnung und Frömmigkeit zu haben, und endlich ihrewgiiber-
triebene ltleinung von dem Werthe ihrer Leistungen. Gerade weil
sie seinen Maasstab der Form und Eleganz anlegen, weil sie keine
sachliche Grösse kennen, ist ihre Eitelkeit und Ruhmredigkeit grenzen-
los. Filelfo versichert nach seinem glänzenden Empfange in Florenz,
dass selbst die Steine, wenn sie nur reden könnten, sein Lob ver-
kündigen würden. Er spricht es ganz ernsthaft aus, dass er Niemand
kenne, der ihn überträfe; wenn Virgil als Dichter grösser sei, so
stehe er ihm als Redner nach, ebenso Cicero in seinen Versen; beide
könnten wenigstens im Griechischen sich nicht mit ihm messen. Wo
fände man einen Zweiten wie ihn? Aeusserungen dieser Art sind
nicht bloss ein zufälliger, persönlicher Hochmuth; sie sind bei Weitem
der Mehrzahl der Humanisten gemein. Daher sind sie denn auch
so leicht verletzt und so kampflustig. Es entsteht eine eigene
Literatur der „Invectiven", der es an Lesern nicht fehlt und die
wiederum ein neuer Gegenstand der Eitelkeit wird. Es sind Kämpfe
vor einem zahlreichen Kreise von Zuschauern, bei denen der Sieger
stets die Lacher auf seiner Seite hat. Man übt sich daher in der
Heftigkeit und Gewaltsamkeit, bleibt niemals bei der Sache stehen,
sondern geht sofort zu Persönlichkeiten über, erschöpft den ganzen
Vorrathwlateinischer Schimpfwörter, erlaubt sich die lügenhaftesten
Verleumdungen, die, schamloseste glngdiscretion. Kein Verbrechen,
kein ITa'stei' ist "schlimm genug, um nicht dem Gegner vorgeworfen
zu werden, kein Vorurtheil der Menge zu veraltet und zu kleinlich,
um nicht auch daraus einen Vorwurf zu schmieden. Sie gewöhnen
sich so an Gkblleit, dass sie sie nicht bloss gegen ihre persönlichen
Neider und Feinde, sondern auch gegen Entfernte und Hochgestellte
üben. Wenn Lquther sich gegen seine Gegner, auch gegen die fürst-
lichen, mit Worten loslässt, wie wir sie jetzt nur in den niedrigsten
Kreisen kennen, so sind wir leicht geneigt, dies deutscher Rohheit
zuzuschreiben. Aber Poggio in seiner ohne Zweifel auf Veranlassung
der Curie verfassten "Schrift gegen den Gegenpapst Felix V., Herzog
von Savoyen, verfährt mit diesem und mit den Vätern des Concils
nicht gelinder. Ebenso maasslos, wie in Verlästerungen, sind Sie dann
auch in Schmeicheleien gegen Gönner, von denen sie Wohlthaten