Volltext: Geschichte der bildenden Künste im 15. Jahrhundert (Bd. 8)

Christenthum. 
Widerspruch mit Sitte und 
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Allein, wenn auch nicht mit dem Dogma und der Kirche, ge- 
riethen die Humanisten doch mit der christlichen. Sittesin ..Yllider- 
spruch. Das Mittelalter, und besonders das italienische, warkeines- 
Weges prüde gewesen; Boccaz war bis an die äusserste Grenze des 
Leeeiven gegangen. mdEEEen erschien es bei ihm denn doch noch 
immer als Sünde, es war eine Ausnahme, während es bei den Hu- 
manisten des fünfzehnten Jahrhunderts den Schein des Berechtigten 
annahm. Das Beispiel des Alterthums in seinen erotischen Gedichten, 
die Gewohnheit und gewissermaassen Pflicht, ihm möglichst nach- 
Zufglgen, das kecke Raisonnement, mit dem man aufzutreten liebte, 
und die eigne ungebundene Lebensweise, alles dies zusammen brachte 
es dahin, dass sie unter sich, und nach Umständen auch öffentlich, 
eine Emancipation des Fleisches predigiännund darnach lebten. Der 
Brief deshAeneas Sylvius von Basel aus an seinen Vater, in welchem 
er sich wegen "der Geburtweivnes unehelichen Kindes, das er nicht ab- 
leugnet, weniger entschuldigt als rühmtl), die Schrift des Laurentius 
Valla über dieWöllust, in welcher er das Recht der sinnlichen""'Natur 
verficht und gegen Jungfräulichkeit und Ehelosigkeit, als etwas Un- 
natürliches, ankämpft, predigen diese Lehre mit dürren Worten, und 
des AntoniowBgeccadelli beirüchtigtes Gedicht Hermaphroditus geht 
noch darüber hinaus. Dieser und die Verfasser ähnlicher Gedichte 
entschuldigen sich zwar meistens, indem sie ihre Arbeit als eine philo- 
logische Uebung darstellen. Aber ihr Lebenswandel war nicht viel 
besser und sie sprechen sich über denselben zuweilen mit einer 
schamlosen Offenheit aus. Dies Schjfvanken zwischen der Verderbniss 
des späteren Heidenthums und der christlichen Sitte, die sie zwar 
nicht strenge beobachten, aber doch anerkennen, dazu die scheinbare 
Genialität, mit der sie über alle Dinge absprechen, auch wenn sie 
sieäiicht genau kennen, die Schöngeisteijei, der es überall mehr auf 
die Form, auf die Eleganz der näälilns auf die Sache ankam, das 
Uebertragen antiker Bezeichnungen auf moderne Verhältnisse, das 
Alles waren Gewohnheiten, "die den Sinn für Wahrheit und Gewissen- 
haftigkeit schwächen mussten. Dazu kamen dann ihre äusseren Ver- 
zu einer Zeit, wo dieselben sonst wenig besucht oder auch nur bekannt waren, 
sind allerdings auffallend. Es scheint indessen, dass mehr ein gelehrter Scherz, 
als eine religiöse Anmaassung dabei zum Grunde gelegen, wozu vielleicht, da, jene 
Jahreszahl eine spätere Zeit, als die der Verfolgung, angiebt, gerade diese und 
der dabei vom Papste selbst gemachte Vorwurf (quod nimium gentilitatis amatores 
essemus, wie Platine. erzählt) die Veranlassung gegeben haben mag. 
1) Vgl, die Uebersetzung desselben in Carl Hagen, Deutschlands literarische 
und religiöse Verhältnisse am, Band I.
	        
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