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Einleitung.
Historische
ins Auge und bildet sich daraus ein Ideal mit allgemeinen, rein
menschlichen Zügen. Es ist augenscheinlich, dass dieser Idealbegrifl
von dem des liebesbedürftigen, edlen Herzens, wie es Dante und
seinen Vorgängern vorisöliwebte, "nicht sehr weit entfernt ist, nur
dass er eine grössere Freiheit und Selbstständigkeit voraussetzt.
Während Dante eine Welt vonqGegeiiständen vor Augen hat, unter
denen der Mensch wählt und dadurch seinen Werth bestimmt, sieht
Petrarca mehr auf das Subject. Sein Ideal ist der vollkommene oder
nach Vollkommenheit strebende Meääaivns" ist also auch bei ihm
wie "eiifiialbesJahrhundert-- später bei den nördlichen Völkern, der
Begriff,Aderlndlividualität, der sich vorzugsweise geltend macht, doch
mitwdhem Unterschiede, dass, während diese vorzugsweise die durch
ihre Schwachen bedingte Abhängigkeit der natürlichen Individualität
betonen, Petrarca mehr an die Kraft und Selbstgenügsamkeit der-
selben denkt. Es lässt sich nicht verkennen, dass dies alles bei ihm
noch sehr unbestimmt auftritt, dass darin Widersprüche und Incon-
sequenzeii" liegen. Aber im Ganzen hatte er das Richtige, seiner
Nation Zusagende getroffen und, leitete sie in die ihrem Genius ent-
sprechende Bahn.
So lange er lebte, hatte die Fülleuietier Gedanken, die er an-
regte, die Gemüther vollauf beschäftigt; es waren die Flitterwochen
der neuen Richtung. Erst nach seinemgTode zeigte sich, welche
grosse materielle Arbeit dazu erforderlich sei. Zunächst bedurfte es
einer tieferen und mehr verbreiteten Kenntgiss des Alterthums. Sollte
sie auch nur Mittel sein, so war sie doch einewlibchst umfassende
Aufgabe, die nun ausschliesslich in den Vorgrund trat. Vor Allem
musste man dem Lernbedürfnisse genügen, das der neuen Doctrin
entgegen kam; Lehrstiixhvble wurden auf Kosten der Republiken oder
der Fürsten gegründet, wandernde Meister durchzogen das Land, um
an mehreren Stellen zu wirken. Hagdhiicher der für das Verständ-
niss der alten Autoren unentbehrlichen mythologischen oder histori-
schen Kenntnisse, Grammatiken wurden geschrieben. Vor Allem aber
kam es darauf an, dasiäudium der alten Schriftsteller zu erleichtern.
Nur wenige derselben waren bekannt und auch diese in einer mässigen
Anzahl von unzuverlässigen Abschriften. Die scholastische Wissen-
schaft hatte ihrer nicht bedurft; sie begnügte sich mit den von ihren
unmittelbaren Doctoren nach älterer Ueberlieferung citirten Stellen.
Man hatte fast verlernt, IZYerke. inihrem Zusammenhänge zu lesen.
Sobald es aber nicht mehr bloss auf den sachlichen Inhalt, sondern
auf die Form, auf das Sprachlichegauf,die tät der Schrift-
steller ankam, konnte dies nicht mehr genügen. Petrarca selbst