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Historische Einleitung.
Reforrnator. Sein leicht elglegbares Wesen lind seine schrankenlose
Eitelkeit und Ruhlnsuclit" leiten ihn bald hier, bald dort hin. Er
schwärmt fiirhCola di Rienzi, ergeht sich zuweilen in republikanischen
Phrasen und tritt "döch seinen fürstlichen Gönnern gegenüber wie
ein schmeichelnder Höfling auf. Er eifertfgegen die Verderbniss des
päpstlichenHofes mit den stärksten Worten, aber er nimmt keinen
Anstandjwsich bei demselben Hofe um Pfründen zu bewerben. Er
glaubt, ganz auf gleichem Boden mit (lenalten Römern, besonders
mit Cicero, zu stehen, aber er hängt noch in vielen Beziehungen mit
der mittelalterlichen Bildung, mit ihrem Idealismus zusammen. In
seinen italienischen Gedichten giebt er sich den schon von Dante's
Vorgängern ausgebildeten Liebesideen ganz hin, verfolgt sie mit den
rafiinirtesten scholastischen Distinctionen. Auch in seinerProsa lässt
er es an Spitzfindigkeit und Weitschweifigkeit nicht fehlen. Die
nlittelalterliche Manier trockenen Aufzählens an einander gereihter
oder nach gewissen Kategorien geordneter Sätze und Beispiele ist
ihm noch ganz gewöhnlich. Die Poesie betrachtet er noch über-
wiegend als Allegfourie, und man staunt, wenn man, durch seinen
Freund Boccaccio darauf aufmerksam gemacht, in ganz harmlosen
Schilderungen nun doch Andeutungen eines dem Gegenstande der-
selben völlig fremden und überdies wenig bedeutenden Gedankens
entdeckt, den er sonst auch in prosaischer Rede oft ausspricht. Bei
den Alten ist es zunächst, wie er wiederholt sagt, der Wohlklang der
Sprache, der ihn anzieht, der leichteFluss der ciceronianischen Rede,
den er in seinen Briefen und Abhandlungen sich schon ziemlich an-
geeignet hat. Aber dieser Vorliebe und der damit zusammenhängen-
den Opposition gegen die Scholastik liegt doch etwas Tieferes, eine
innere sittliche Uebereinstimmung zum Grunde. Er erkennt darin
eine Bildpng, die nicht, wie die scholastische, auf einzelnen über-
lieferten und ad-optirten Sätzen beruht, sondern die aus dem ärgern
hervorgeht, den ganzen Menschen durchdringt, alle seine Erkenntnisse
undmÄlnschauungen zu einem Ganzen verschmilzt und so ein sittliches
Resultat giebt. Wenn er die Aeljzte, die Juristep, "dwiemrästrologen mit
seinem Spotte verfolgt, so ärgert ihn zunächst der eitle Prunk, mit
dem sie die unfruchtbare Hohlheit ihrer Wissenschaft bedecken. Aber
eigentlich kämpft er überhaupt gegen die Scheidung der einzelnen
wissenschaftlichen Fächer; er rügt die Einseitigkeit, die durch solche
Trennung entsteht. Sie geben alle Aeus s, Gleichgültiges, nicht
das, worauf es den lvielgsjzhen ankommt. Er selbst versucht sich da-
her aufallenaläßllieten, släliillt Dichter, Philosoph, Geschßlllsforscher,
Theologe in einer Person sein zu können. E; scheint davon überzeugt,