Die Kunst des XV.
Jahrhunderts in Pommern und Preussen.
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her gedrungen war, ist unverkennbar, aber mit Freiheit und feinem
Sinne benutzt, so dass diese Glasgemälde durch grossartige Anord-
nung und Gruppirung, sowie durch Adel und Schönheit der Gestalten
und besonders der Köpfe eine hohe Stelle unter den deutschen Kunst-
werken dieser Zeit einnehmenI).
In Pommern ging die Kunst auf dem Wege weiter, auf dem
wir sie schon in der vorigen Epoche fanden. Glasmalereien sind fast
gar nicht erhalten, selbstständige Tafelmalereien kommen, selbst als
einfache Votivbilder, nur in wenigen Fallen vor und sind schwanken-
den Styles, bald einen allgemeinen Einfluss der Eyck'schen, bald
bestimmteren der iiandrischen Schule zeigend. Auch die Flügelbilder
der Altäre sind meistens handwerksmassig und ohne feineren Aus-
drucki). Dagegen blieb das Schnitzwerk auch jetzt noch gesucht und
erhielt sich ziemlich auf der Höhe, wie wir diesen Kunstzweig in der
vorigen Epoche an dem Altare zu Tribsees fanden. Werke von
historisch nachwirkender Bedeutung oder Züge provincieller Eigen-
thümlichkeit sind indessen nicht nachzuweisen, und ich brauche auf
das Einzelne nicht weiter einzugehen, da es in Kugler's iieissiger
Arbeit schon gesammelt und geordnet ist. Alle diese zahlreichen
Altäre sind übrigens ohne Jahreszahl und Namen, indessen lassen
sie an Trachten und einzelnen realistischen Zügen erkennen, dass
sich auch hier die Linienführung und die ruhigere, weichere Em-
pfindungsweise der vorigen Epoche noch weit hinein in das 15. und
bis an die Gränze des 16. Jahrhunderts erhielt.
In Preussen war es schon damals Sitte, Bildnisse der Hoch-
meister in Kirchen und anderen Orten anzubringen. Ulrich von
Jungingen liess gleich nach seiner Erwählung (1407) das Bildniss
seines Bruders und Vorgängers durch Peter, den Maler, anfertigen
und im kleinen Remter zu Marienburg,-neben den Bildern der
früheren Hochmeister, aufhängen, und nach dem Tode des Heinrich
Reuss von Plauen wurde es als ein Verstoss gegen die Sitte bemerkt,
dass die Stiftung seines Bildes lange ausblieb, bis endlich sein dritter
Nachfolger, Martin, Truchsess von Wetzhausen (J; 1489), ihn und
mehrere seiner Vorgänger malen liess und in die Donikirche zu
Königsberg stiftete, wo noch sechs solcher Tafeln, wenn auch über-
1) Vgl. Näheres nebst einer farbigen Abbildung in v. Quast, Zeitschxz, II, 33.
e) Kugler, Pommersche Kunstgesch. in d. kl. Sehr. I, S. 802 if. Etwas besser
als die übrigen scheinen die Gemälde auf einem Altarschreine in der Nicolai-
kirche zu Stralsund, welche Kugler mit denen des älteren Holbein vergleicht, ob-
gleich sie alterthümlicher, geringer, und in der Behandlung des Nackten ziemlich
roh sind.