LIV
Schnaasefs Biographie.
Carl
der
Kunst
in
neue
Bahnen
lenken
und
unter
110110
Gesichtspunkte
stellen sollte.
Der Sommer 1835 führte Schnaase an die See, während seine
Frau wieder in Ems Kraftigung suchte. Der Aufenthalt in Scheve-
ningen that ihm gut, das Meer erschien ihm auf's Neue wunderbar,
aber die Trennung von seiner Frau liess ihn nicht voll zum Genuss
der Schönheiten gelangen, die sich ihm boten.
Auch wollte ihm im Haag kein rechtes Verhaltniss zu den Bildern
kommen, bei denen ihm nicht gerade angenehm entgegentrat, dass
sich in den Niederländischen Briefen manche Irrthümer in seine Be-
schreibungen eingeschlichen hatten. Die modernen Bilder kamen ihm
etwas besser vor, als früher, weil er besser mit neuen Malereien
bekannt geworden, manches Einzelne davon schätzen konnte, was ihm
sonst bei mangelndem Eingehen verloren ging. Durchweg schienen
sie ihm aber hinter den Düsseldorfern zurückzustehen.
Zu Anfang des Jahres 1836 wurde Schnaase zum Oberprocurator
ernannt, eine wesentliche Verbesserung seiner äiusseren Lage, die ihm
jedoch auch eine viel grössere Arbeitslast auferlegte. Das Geschäft
war ihm nicht unangenehm, es führte mehr in die Sache hinein, aber
er fand noch weniger MHSSG, als bisher, seine "Kunstinteressen zu
verfolgen.
Trotzdem folgte er in diesem Jahre noch seinem Bedürfniss
nach neuen kunsthistorischen Anschauungen, verwandte seine Ferien
zu einer Reise durch das Elsass nach Basel und Bern, und ging von
da über Luzern und den Bodensee nach Nördlingen und Nürnberg.
Diese Route verschaffte ihm die Kenntniss von sehr vielen einzelnen
Monumenten der oberdeutschen Kunst, namentlich von den Haupt-
Schöpfulngen der Malerei des 15. Jahrhunderts, für welche er ein
stets wachsendes Interesse empfand. Bei seiner ganzen Richtung, die
auf das Geistige, Innerliche zielte, waren ihm jene Kunstepochen die
liebsten, in welchen die Ideen und Empfindungen noch im Kampfe
mit der Form liegen. Wo die vollendete Herrschaft über Form und
Technik sich einstellt, da trat für seine in's Wesen der Dinge
dringende Betrachtung schon eine Einbusse am innerlichen Gehalt zu
Tage. Desshalb weilte er mit besonderer Vorliebe im Mittelalter und