Schlesien.
Flandrischer Einfluss in
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an Eycläsche Schule vorhanden. Dieser Porträtkopf beweist denn
auch, dass das Bild nicht etwa von ausserhall) gekommen, sondern
hier gemalt ist, und die erwähnten Eigenthümlichkeiten lassen
schliessen, dass der unbekannte Meister, obgleich er in Flandern ge-
wesen, ein Deutscher war.
Noch starker zeigt sich tlandrischer Einfluss auf einem grossen
Altarwerke, von dem wir freilich nur Fragmente besitzen und nur
wissen, dass sie in Breslau vorgefunden sind, ohne auch nur die
Kirche namhaft machen zu können, aus der sie stammen. Die
meisten dieser Fragmente befanden sich, sorgfältig restaurirt, in der
Sammlung des Herrn Wilhelm Ranke zu Berlin 1) [vor mehreren
Jahren von R. Lepke versteigert], ein einziges, ohne Herstellung,
wird in dem Königlichen MllSGlllll zu Breslau bewahrt. Eine
Tafel, die Kreuzabnahme, fast neun Fuss hoch und vier Fuss vier
Zoll breit, ist ganz erhalten, von der entsprechenden Tafel mit
der Kreuzigung nur der obere Theil, nämlich der Christuskörper
mit den Köpfen der Umstehenden und der Landschaft, von dem
muthmasslichen Uittelbilde aber sind nur zwei Figuren gerettet,
Joseph und Maria, jener mit einem Taubenpaare in der Hand, also
im Augenblicke der Darbringung. Die Aussenbilder, St. Hieronymus
und Vincenz Ferrerius, sind auf dunklem Grunde gemalt. Flandrische
Schule ist hier überall unverkennbar. Die reiche, bergige, von
Wasser, Baumgruppen und historischen Episoden belebte Landschaft,
wenn auch mit goldenem Himmel, die Anordnung und Gruppirung,
die leuchtende, kräftige und harmonische Farbe lassen an derselben
nicht zweifeln. Einzelne Figuren weisen sehr speciell auf Roger
van der Weyden hin: der greise Joseph auf der Darbringung,
der schüchtern und demüthig eben die Kapuze von seinem Kopfe
zurückschieben will, dann zwei ruhig sprechende Männer hinter
Johannes auf der Kreuzabnahme erinnern an bestimmte Gestalten
seiner Bilder, der Kopf und Oberkörper des eben verschiedenen
Heilandes auf der Kreuzigung sind völlig von dem auf den sieben
Sacramenten in Antwerpen entlehnt. Auch zeigt Alles die Hand
eines sehr durchbildeten Künstlers, wie die Farbe, sind auch die
hlodellirung und die Zeichnung vortrefflich, selbst so schwierige
Stellungen und Lagen, wie die des Mannes auf der Leiter und des
herabgesenkten Christuskörpers in der Kreuzabnahme, sind mit der
1) Wilhelm Ranke's alte christliche Bilder, photographisch dargestellt. Drei
Hefte, Berlin 1861 u. ff. im Selbstverlag. Die Photographien bleiben in manchen
Beziehungen weit hinter der Schönheit der Originale zurück.