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Die
Grenzlande.
Schulen der östlichen und nördlichen
Bildes zu stellen, und selbst dem Tode der lllaria hat er durch einen
weiten Rundbogen mit Statuen und Baldachinen eine Art architek-
tonischer Einrahmung gegeben, ähnlich wie zuweilen Roger van der
Weyden.
Die acht Scenen aus der Geschichte des Heilandes unterscheiden
sich von den Innenbildern in manchen Beziehungen; die Farbe ist
zwar warm und kräftig, aber schwerer und undurchsichtiger, die
Linienführungspröder, die Zeichnung härter, die ganze Behandlung
nicht so frei und harmonisch wie dort. Aber auch diese Bilder, ob-
gleich sie meistens sehr complicirte Vorgänge darstellen, sind vor-
trefflich coponirt; die Massen sondern sich sehr geschickt, die
Hinterwände sind belebt, die Gestalten alle von sprechendem Aus-
drucke, keine leer und nichtssagend. Das Wohlgefallen an perspec-
tivischen Aufgaben wiederholt sich und geht hier noch weiter. Bei
der Hochzeit zu Cana ist im Hintergründe der Halle, wo die Gäste
tafeln, noch eine Treppe angebracht, von welcher Diener herabsteigen;
bei der Scene, wo Christus der Steinigung entgeht, sehen wir ihn
schon ausserhalb des Marmorportals, durch dasselbe abermin das
Innere des "von einer Kuppel magisch beleuchteten Tempels; bei der
Erweckung des Lazarus ist gar eine künstlich berechnete, reiche Lo-
calität, indem wir, etwa im Hofe stehend, überWdjepGrabhalle fort
auf die Landstrasse mit Bergen und Schlössern, und über die an
das Wohnhaus anstossende Mauer in eine städtische Strasse sehen.
Es würde zu weit führen, wenn ich auf einzelne Gestalten eingehen
wollte, auch an ihnen ist alles voll Geist und Leben. Die Versuchung
hat schon etwas von dem Phantastischen, das sich sonst erst im An-
fange des XVI. Jahrhunderts entwickelt; im Vordergrunde Satan im
gelben Kleide mit höhnischer Miene und grossen Hörnern, der sich
tief vor Christus beugt und auf die vor ihm liegenden Steine weist;
weiter hinten beide auf dem Berge, und zur Seite der Tempel, ein
phantastisch gothisches Gebäude mit rothen und schwarzen Marmor-
saulen, auf dessen oberstem Balcon Christus wieder mit dem Ver-
sucher steht. Die Zeichnung ist durchweg genau und zeigt, selbst
bei der nackten Gestalt Christi in der Taufe, ein sorgfältiges Natur-
stuiliim; der Künstler ist sich auch dessen bewusst, er gefällt sich
schon in Verkür n, die er auch recht geschickt ausführt. Aber
zugleich sind die Umrisse lhaggltxund spröde und die inneren Theile
"mit Details überfüllt. Daher gelingen ihm denn auch die Neben-
figuren besser als Christus, der mit schwächlichem, weinerlichen Ge-
sicht und kleinlich gelocktem Haare keineswegs sehr edel und be-
deutend erscheint.