Volltext: Geschichte der bildenden Künste im 15. Jahrhundert (Bd. 8)

Wolfgang- 
Der Altar zu St. 
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Pacher seine Arbeit als ein Ganzes ansah und alle Theile in seiner 
Inschrift nach der zwei Jahre darauf erfolgenden Vollendung zusam- 
menfasste. Die Innenbilder aus dem Leben der Maria sind gewiss 
von des Meisters eigner Hand; sie zeigen ganz dieselbe Freiheit der 
Behandlung, dasselbe Gefühl für Schönheit und Grossartigkeit der 
Formen, wie das Schnitzwerk des Schreines, dabei aber auch diesel- 
ben Eigenthümlichkeiten der Gewandbehandlung, und bei einigen 
Figuren (z. B. bei dem Kinde auf der Beschneidung, bei dem kohlen- 
anblasenden Apostel auf dem Tode Mariä) dieselben gekünstelten und 
nicht ganz verstandenen Bewegungen, wie dort bei einigen Engeln 
und dem Bischof. Uebrigens sind diese Bilder von grosser Schön- 
heit, die Gestalten kräftig modellirt, die Köpfe charakteristisch und 
mit Innigkeit und Feinheit des Ausdrucks. Die Einwirkung der 
Eyckfschen Schule ist unverkennbar, nicht blos in der kräftigen, 
leuchtenden und harmonischen Farbe, sondern auch in manchen Ein- 
zelheiten, wie z. B. in der Behandlung der Prachtgeräthe, und be- 
sonders in der räumlichen Anordnung. Kein deutscher Meister, mit 
einziger. Ausnahme des Friedrich Herlen, hat sich das Raumgefühl 
der Niederländer in gleichem Grade angeeignet. Hier ist keine Spur 
von dem Gedrängten, Ueberladenen, Unruhigen, das bei den Deutschen 
dieser Zeit vorherrscht; alles ist maassvoll, ruhig, mild. Die Figuren 
haben das richtige, bequeme Verhältniss zu der Bildiiäche und die 
Gruppen sind klar und wohlgeordnet. Höchst bewundernswerth ist 
in dieser Beziehung der Tod der Maria; die Zahl der Apostel ist 
zwar auf acht vermindert, dafür aber auch die Aufnahme der Jung- 
frau in den Himmel ausführlicher als gewöhnlich- behandelt. Engel 
tragen ihre Seele, nicht als Kindesgestalt, sondern als liebliche Jung- 
frau mit blonden Locken, dem Herrn entgegen, der sie liebreich 
empfängt, während unten die Apostel, alle in lebendiger Theilnahme 
an dem Vorgänge und in grosser Mannigfaltigkeit des Ausdrucks 
doch vollkommen gesonderte Gruppen bilden, welche den Durchblick 
zu dem Bette und zu der schönen Gestalt der Sterbenden offen 
lassen. Ohne irgend eine Beschränkung des Einzelnen ist für Alles 
bequemer Raum gefunden. Nächst diesem zeichnen sich die Geburt 
und die beiden Predellabilder durch Zartheit und Innigkeit aus. Auch 
im Landschaftlichen und in der Neigung zu architektonischen Per- 
spectiven folgt" der Meister ganz den Niederländern; bei der Geburt 
sieht man hinten durch ein pompöses Thor in eine städtisclresStrasse, 
die Beschneidung erfolgt in einer tiefen Idiirchenhalle, bei der Dar- 
bringung hat die Neigung zu perspectivischen Aufgaben den Künstler 
sogar zu der Wunderlichkeit verleitet, eine Säule in die Mitte des
	        
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