IMichael Pacher.
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Heiligen Wolfgang und Benedictus in bischöflichen Gewändern und
darüber erhebt sieh eine zwar in Formen der Spatzeit gebildete, aber
doch sehr reizende und stylvolle gothische Architektur mit Bögen,
Fialen und schlanken Fenstern, welche durchweg aufs Reichste ge-
gliedert und vergoldet fast die halbe Höhe des Schreines füllt. Die
Mittelgriippe "erscheint daher als der Kern und lnhalt der glänzend-
sten Umgebung und erhält den ganzen Vortheil dieser grossartigen
Anlage ohne die Schwere eigner grosser Körperlichkeit. Auch das
ist weise, dass der Meister die beiden Hauptgestalten fast ganz im
Profile einander zugewendet darstellt, wodurch der Beschauer mitten
in diiflieilige Handlung hineingezogen wird und an dem leuchtenden
Golde tiefere Schatten entstehen, welche die Körperbildung beleben
und dem Ganzen einen ernsten, bedeutsamen Charakter geben. Dazu
kommt dann aber die Schönheit der Gestalten selbst, besonders der
lllaijia, welche gleichsam in jungfräulicher Scheu vor der Majestät
Gottes das Haupt zur Seite wendet und so dem Beschauer den vol-
lenÄAnblick "der lieblichen und zugleich edlen sZüge gewährt. Es ist
eine der schönsten Darstellungen dieses bevorzugten Gegenstandes
der damaligen Kunst. Geht man auf Einzelnheiten ein, so findet sich
freilich neben diesen Vorzügen manches Wunderliche und Manierirte.
Seim, Faltenwurfe, der bald parallele schräge Linien von grosser
Vertiefung, bald Dreiecke, bald wenigstens auffallende, durch die
Haltung; der Figuren keineswegs erklärte Winkel bildet. Auch sind
die Engel, zum Theil. gespreiztmunäd affectirt, sann selbst der Körper
des heil. Wolfigangmistnichtkklarm__geld'achtqund verstanden. Von dem
sonstigen Schnitzwerk ist die Anbetung der Könige in der Predella
sehr reizend; sie sowohl wie die beiden nurwbei geschlossenen Flü-
geln sichtbaren Statuen neben dem Schreine, der heil. Florian und
Georg, mögen von der Hand des Meisters, die zahlreichen Statuen
aber in dem noch 15 Fuss über den Altarschrein aufsteigenden Auf-
satze, obgleich für diese Stelle ganz gelungen, eher Arbeiten eines
Gesellen sein. Wichtiger sind uns die zahl- und umfangreichen Ge-
mälde; auf den doppelten Flügeln in zwei Reihen zusammen sechszehn
Tafeln von fast 6 Fuss Höhe und 41], Fuss Breite, dann die Flügel
der Predella, ebenfalls innen und aussen bemalt, und endlich Male-
reien auf der ganzen Rückseite des Schreines und Sarges.
Die Wahl der Gegenstände wird zwar hauptsächlich von dem
Besteller ausgegangen sein, indessen enthält sie theilweise so unge-
wöhnliche Gegenstände, dass man ein Entgegenkommen des Künstlers
dabei voraussetzen muss. Bei voller festlicher Oelfnung sieht man
in dem der Verherrlichung der Jungfrau gewidmeten Schreine nur