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Die
Grenzlande.
Schulen der östlichen und nördlichen
volleren Formen und mit wahrhaft königlicher Miene sind von grosser
Schönheit, und auch die beiden gemalten mütterlichen Heiligen auf
der Rückseite der Flügel besonders in der Gewandung sehr frei und
grossartig.
Der Altar zu Grigs, den Pacher wohl dem Contracte gemäss
nach vier Jahren, also 1475, abgeliefert haben wird, muss seinen
Namen auch im weitern Umkreise bekannt gemacht haben, da bald
darauf der Abt des Stiftes Mondsee im Salzkammergute ihn zur
Ausführung eines gewaltigen Altarwerkes in der damals nach einem
Brande herzustellenden Kirche zu St. Wolfgang erwählte, den er dann
auch nach gewiss mehr als vierjähriger Arbeit im Jahre 1481 voll-
endete. Es ist nicht blos sein Hauptwerk, sondern eine der gross-
artigsten Leistungen der deutschen Kunst in diesem Jahrhunderte.
Wie Pacher den Altar in Gries, bei dem das Scl1nitzwerl_{_die Haupt-
sache, 4die,"GemäldeMllbßßleutender sind, allein übernahnirlobgleich
efsich nur als Maler bezeichnet, so erklärt er sich auch hier in der
Inschrift als den alleinigen Urheber und Vollender dieses an Arbei-
ten beider Art reichen Werkes 1), bei dem gerade die plastische Dar-
stellung im Schrein von wunderbarer, grossartiger Schönheit ist. Man
darf daher annehmen, dass er dies wirklich selbst gemacht hat und
also ein eben so bedeutender Bilglsghnitzer wie Maler war. Die
Darstellung im Schreine ist nicht, wie man sie bezeichnet hat, die
Krönung der Jungfrau, sondern wie Freiherr v. Sacken richtig er-
klärt, der Moment- ihrer Weihe zu demggrossen Berufewals Mutter
des Heilandes. Denn vorg-Qoftt dem Vater, der, mit der llnfiioiT-Thiiif
dem Haupte und der Weltkugel in der Linken, sitzend, die Rechte-
segnend erhoben hat, knietwglie Auserwählte, ihr wallendes Haar mit
der Krone bedeckt, und über beiden schwebthdie Taube, während
Christus nicht sichtbar ist. Von grossei- künstlerischer Weisheit ist
die Anordnung dieser Gruppe. Während der Schrein die gewaltige
Höhe von zwölf Fuss sechs Zoll bei zehn Fuss Breite hat, sind jene
Hauptgestalten noch unter Lebensgrösse, so dass sie nur einen ver-
haltnissmässig kleinen Theil des ganzen Raumes füllen. Neben ihnen
stehen nämlich, durch reich mit Engelstatuen und Baldachinen ge-
schmückte gothische Pfeiler getrennt, die lebensgrossen Statuen der
1) Dem Leser wird die ausführliche, von einer Abbildung begleitete Beschrei-
bung von Sackexfs in Bd. I, S. 129 der mittelalt. Kimstdenkm. d. österr. Kaiser-
staates noch in guter Erinnerung sein, ich werde daher auf das Einzelne nur in
soweit eingehen, als es zum Verständniss der daran zu knüpfenden Bemerkungen
erforderlich ist. Weitere Abbildungen in Jobst ä Leimer, Samml. mittelalt. Kunst-
werke aus Oesterreich. Wien 1862 u. 1863.