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Die
Schulen
der
Grenzlande.
östlichen und nördlichen
Ware dies ein gewöhnlicher Malerspruch gewesen, den unser dunkler
österreichischer Meister ohne Kenntniss des grossen filandrischen
Künstlers mit ihm gemein haben könnte, so würden wir ihn doch
noch irgend ein drittes Mal. antreffen. Da dies nicht der Fall ist,
können wir nur eine Entlehnung annehmen.
Bedeutender ist ein zweites Bild mit derselben Jahreszahl. Es
schmückt den Altar in der kleinen Spitalskirche zu Aussee in Steier-
mark dicht an der Grenze des Salzkammergutes, ist aber, wie die
fünf Vocale, die bekannte Devise Kaiser Friedrichs III. nebst
den Wappen beweisen, eine Stiftung dieses Fürsten. Der Maler
nennt sich nicht, sondern hat der unzweifelhaft echten Jahreszahl
nur ein: "lllaria memento mei" hinzugefügt. Der Gegenstand der Dar-
stellung ist nicht ganz gewöhnlich. Im Mittelbilde die 'l'rinität; Gott
Vater, im blaugrünen Gewande mit langem weissem Barte und feier-
lich regelmässigen Gesichtszügen, auf hohem gothischem Throne
sitzend, hält Christus am Kreuze, der von etwas kurzem Körper aus
den Wunden stark blutet und den schweren hässlichen Kopf hat, der
sich in Deutschland und selbst in Flandern an dem Gekreuzigten oft
findet. Ueber ihm schwebt die Taube, zu seinen F üssen aber unter-
stützt ein Engel den Kreuzesstamin. Ueber den Armlehnen des
Thronsessels sieht man auf jeder Seite drei Engel, welche aus einem
gemeinschaftlichen Buche singen, über den Rücklehnen aber einen
andern sehr lieblichen Engel in dunklem Kleide und rothem Mantel
mit hochaufgerichteten Flügeln, welcher in der Hand zwei kleine
goldene Geräthe hält, wahrscheinlich Glöckchen, um damit, wie der
hlinistrant beim Sacramente, die Christenheit zur Verehrung dieses
Allerheiligsten aufzufordern. Auch liest man im tellerförmigen Nim-
bus Gottes die Worte: „Siehe an Mensch die Leiden meines Sohnes."
Neben dem Throne stehen dann auch schon hinaufblickend die Apostel
nebst St. Johannes dem Täufer, bewegte Gestalten mit sehr in-
dividuellen, aus dem Leben genommenen Zügen, sogar mit ziemlich
unschönen Stumpfnasen, und auf den Flügeln sind die Chöre der
Heiligen versammelt. Jeder derselben enthält nämlich zwei Abthei-
lungen, oben Männer, und zwar hier die geistlichen, dort die welt-
lichen gerechten Männer, unten hier die Jungfrauen, dort die Frauen,
jedes dieser vier Bilder mit deutscher Inschrift: „In den kor gelwrn
di reynen jumfrawen gotts" u. s. f. Der Gesichtstypus aller dieser
Figuren ist rundlich, die Körperbildung kurz, die Köpfe sind sehr
gut modellirt, die Gewänder fallen meist in senkrechten, parallelen,
zuweilen sehr breiten Falten und sind keineswegs sehr gebrochen,
Die Carnation ist. eher bleich, im Uebrigen aber die Farbe sehr