Oesterreich.
Die Malerei in
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Fünftes
Capitel.
Die
Schulen
der östlichen und
Grenzlandel).
nördlichen
Im letzten Viertel des Jahrhunderts beginnt zuerst in
Deutschland mit dem regeren Kunstleben eine Verschiedenheit der
Provinzen, allein doch noch in sehr schwachen AnfängeYiTiMiniaturen
undwWandgemälde der verschiedensten Gegenden stehen einander
noch sehr nahe, und nur in der Tafelmalerei bilden die verschiede-
nen Hauptstätten künstlerischer Thätigkeit, Cöln, Prag und Nürnberg
eigenthüniliche Schulen, denen die andern Gegenden sich bald mit
kleinen Abweichungen, bald ohne solche unterordnen. Dass auch in
Oesieglrrgivch, ein reges künstlerisches Leben war, beweisen die gross-
artigen und anziehenden Wandgemälde im Schlosse Runglstein in
'l'yrol. Sie sind, obgleich jenen italienischen Grenzlanden nahe, durch-
aus deutsch, aber auch ohne erkennbaren Provincialismus. Tafelma-
lereien des idealen Styls sind in Oesterreich ziemlich selten und
schwankenden Charakters. Ein Fliigelbild in der Spitalkirche zu
Aussee in Oberstcierniark, welches wahrscheinlich früher auf dem
Altar stand und jetzt durch ein nachher zu erwähnendes späteres
Werk verdrängt an der Wand hängt, in der Mitte die vierzehn Noth-
helfer, auf den Flügeln die Apostel, auf der Aussenseite vollständig
und unkenntlich iibermalt, deutet durch die strenge Auffassung, durch
dunkle Carnation, verschwommene Modellirung und dicke Nasen auf
die Prager Schule hin. Einige zusammengehörige Tafeln in der Ge-
mäldesammlung zu Klosterneuburg, eine Kreuzigung, und dann in
kleinerem Maassstabe die Darbringung im Tempel, Christus als Gärt-
ner und der Tod der Maria, alle auf Goldgrund mit röthlicher Car-
nation und weissen Lichtern, erinnern dagegen mehr an Cölner Schule 2).
Während hiernach der Zustand der Malerei in den von Wien
abhängigen Gegenden schwankend erscheint, ist es möglich, dass in
der uralten Metropole dieser ganzen südöstlichen Gegend,
noclr eine besondere Schule bestand. Im Nationgl-llluseum zu
lllünclien wird ein etwa vom Anfange des XV. Jahrhun-
derts, bewahrt, von mässiger Grösse, aber von hoher idealer Schön-
1) Der folg. Abschnitt über die österr. Malerei im 15. Jahrh. ist mit neueren
Nachträgen abgedruckt aus den Mitth. der k. k. Cent.-Comm., VII, Nr. 8.
2) Die Temperabilder, welche der Propst Stephan im Jahre 1334 auf der
Rückseite des Verduner Altars in Klosterneuburg anbringen liess und von denen
das mittlere die seltene Darstellung des himmlischen Jerusalem enthalten soll,
blieben mir leider bei meinem Besuche des Stiftes unzugänglich.