Gemälde aus Ravensburg,
etc.
Schwäbisch-Hall
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Ausdruck inniger Frömmigkeit und Entzückung im Kopfe Gregors
und der jungfraulicher Reinheit und todesfreudigen Muthes in dem
der heiligen Katharina meisterlich gelungen und tief. Einen seltenen
Reichthum an Schnitzwerken und Malereien enthalten dann die drei
Kirchen von Schwäbisch-Hall, St. Michael, St. Urban und be-
sonders die kleinemSAtÄ "Katharinenkirche1). Die Malerei, obgleich
fleissig und nicht ohne Ausdruck, nimmt dabei nur die zweite Stelle
ein, während das Schrlrrzwerk, sowohl dem Umfange alsder Be-
deutung nach, überwiegt. "Nicht nur die Altäre sind damit reichlichst
und mit einer im XV. Jahrhundert noch seltenen Ausführlichkeit der
Darstellung ausgestattet, sondern auch ausserdem freistehende Holz-
bilder an den Wänden und Gruppen von fast lebensgrossen Figuren
verhältnissmässig häufig angebracht. So in der hlichaeliskirche eine
Grablegung 2), in der KatharineiikirChe derselbe Gegenstand und
ausserdem das Gebet am Oelberg, dieses in der Art, dass die vier
Gestalten Christi und der drei Jünger, jener knieend, diese auf Fels-
stücken sitzend, vor einem landschaftlich bemalten Hintergründe eine
einfache Reihe bilden. Wahrhaft plastische Haltung oder aus-
gebildeten Schönheitssinn darf man freilich hier nicht erwarten; die
Gesichtszüge sind alltäglich, die Bewegungen, besonders der mit dem
Schlafe ringenden Jünger, bilden spröde Linien und Winkel, die
Gewandung lässt grössere Ruhe wünschen. Aber in der Innigkeit
des Ausdrucks, der Naturwahrheit der Motive, überhaupt in der
populären, ergreifenden Kraft suchen diese Gruppen ihres Gleichen
und verrathen ein nach diesen Seiten hin sehr ausgebildetes künst-
lerisches Gefühlg). Die Urheber dieser Werke sind nicht genannt,
1) Vgl. über diese H. Merz im Christi. KunstbL, 1858, S. 32 E, über die
beiden ersten Grüneisen im Tüb. Kunstbl., 1840, S. 418. Bemerkenswerth wegen
des Gegenstandes der Darstellung ist der St. Michaelsaltar in der gleichnamigen
Kirche, indem er im Schrein den Erzengel als Besieger des Satans, auf den
Innenseiten der Flügel, und zwar in Reliefs, auf der einen Seite oben den Himmel,
Gott Vater mit Christus, Maria und Heiligen, und darunter die Hölle mit grausigen
Gruppen Verdammter, auf der andern Seite aber oben die Wohlthatigkeit, nämlich
einen Reichen, der Brod und Wein unter die Armen austheilt, darunter aber den
reichen Mann und Lazarus darstellt. Wenn wirklich diese obere Tafel keinen
andern, historisch naher bestimmten Inhalt hat, als den abstracten der Gott
wqhlgefälligen Wohlthatigkeit, ist sie ein Unicum in der Kunst des XV. Jahr-
hunderts.
ß) Grüneisen und Manch in Ulms Kunstleben, S. 66.
K) Vgl. die Abbildung bei Merz a. a. 0. S. 47. Die Jahreszahl 1470 auf dem
Sarkolahage der Grableguxig ist nicht auf die Anfertigung des Schnitzwerks zu
beziehen, sondern beweist vielmehr, dass dieses in eine etwas spätere Zeit fallt.
Denn dieser Sarg von Stein ist mit den Reliefgestalten zweier Kriegsknechte ver-