458
oberdeutschen
Die
Schulen.
der Localität auf Goldgrund vier Momente aus dem Leben der Maria,
ihre Geburt, ihr frühes Aufsteigen zum Tempel, Heimsuchung und
ihren Tod, Alles in kräftiger und harmonischer Farbe, in vollen, an-
sprechenden Formen, mit sinnigerPoesie und liebenswürdiger Naivetät
und Gemüthlichkeit geschildert. Sie sind schwäbisch, unterscheiden
sich aber deutlich von der Ulmer Schule, und nähern sich der Augs-
burger durch kürzere Verhältnisse der Figuren, breitere Gesichter
und vollere Formen. Ein sehr schönes der Augsburger Schule ver-
wandtes Bild findet sich endlich im Vaterländischen Museum zu Mün-
chen. Es ist ein vereinzelter Flüge], dessen Inhalt ich am besten
durch die darauf befindliche Inschrift angebe: Scts Johannes ward
von Domiciano gemartert im uü andre gift z trinken geben. Es
schad im nit. Johes- macht si wider leben. [Dasselbe ist ebenfalls
von der Hand des Meisters der Sammlung Hirscher. D. H] Wir
sehen den Heiligen in einem Gewande von leuchtendem Roth in einer
kirchlichen Halle mit Goldgrund der Fenster vor dem Tyrannen und
seinen Begleitern stehend, zu seinen Füssen liegen die durch das
Gift Getödteten, die er erwecken soll. Der Apostel ist als ein be-
geisterter, schöner Jüngling mit weichem, mitleidsvollem Blicke, aber
von völligen Formen aufgefasst, ein dicker, halbnackter, Scherge in
seiner Begleitung porträtartig ausgeführt, die vom Gifte bläulich ge-
färbten Körper vor ihm von grosser NaturwahrheitQ Die Farbe
erinnert an Holbein, ist aber noch einfacher wie in seinemspätern
Bildern, die Verhältnisse der__Körper sind schlanker. Auf der Rück-
seite ist mit vortrefiiicliem Porträtkopfe ein heiliger Papst mit der
dreifachen Krone und dem Doppelkreuzstabe dargestellt, der eher
an Zeitblom erinnert, so dass wir also hier eine Berührung beider
Schulen wahrnehmen. An einer Stelle des Bildes steht das Mono-
gramm L. E, also dieselben Buchstaben wie auf den1 Basiliken-
bilde von S. Lorenzo, doch scheint die Identität der Meister nicht
glaublich.
Im Allgemeinen beherrscht die Ulmer Schule das ganze übrige
Schwaben, und eine ganze Reihe vereinzelterwBilder steht in so enger
S. 237) dem jüngern Hans Holbein, später (D. K. Bl. 1854. S. 66) richtiger nur
"der schwäbischen Schule gegen Ende des XV. Jahrhunderts" zu. Er irrt übrigens,
wenn er bei der an erster Stelle gegebenen Beschreibung Renaissancearchitektur
darin ünden will. Förster a. a. 0. S. 198 findet sie „an die Spätzeit Schongauer's sich
anschliesseud", was in gewissem Sinne wahr ist. Die Augsburger Schule hat un-
verkennbar eine Beziehungzu Schongauer [nicht aber dieser Meister der Samm-
lung Hirscher, der sich, wie gesagt, stark an Zeitblom und nicht an Holbein an-
lehnt. D.