Volltext: Geschichte der bildenden Künste im 15. Jahrhundert (Bd. 8)

I-Ianä Holbein d. 
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tation und Uebertreibung streift. Die Gewandung ist sehr gut, mit 
leichten, naturgemässen Falten und in edeln Linien, im Uebrigen 
aberTier"Schönheitssinn weniger vorherrschend als die Charakteristik, 
Alle Köpfe sind sprechend und dem Moment angemessen, mehr oder 
wenigerfindividuell, selbst in der Farbe mannigfaltig. Ueber den 
frühern Stanqdpimkt, der nur Gut und söä"e"iaäünte und dieses steigerte, 
um jenes zu heben, ist er weit hinaus; er begreift die unendliche 
Abstufung dieserGegensatze und versucht sich daran, wenn auch 
nicht mitwgedreifter Erfahrung, so doch mit dichteijischer Phantasie. 
Den hohen Liebreiz und strengen Ernst des idealen Styls erreicht er 
wohl nicht, doch ist sein Christus edel und würdig und St. Paul 
macht den Eindruck eines klugen und treiflichen Mannes; bei den 
"Christen, welche von der Leiche des geliebten Lehrers in die Ge- 
fangenschaft geführt werden, ist der SCMITUQTZ mit  
keit ausgesprochen, bei den Peinigern erlaubt er sich wohl noch 
eine Uebertreibung, und bei den Zuschauern und ruhigern Theil- 
nelnnern der Hergänge reichen Portraitlrtlpfe aus. Eigenthümlich sind 
ihm aber gewisse unheimliche oder zweideutige(lestalten, bei denen 
das Böse mit Gewandtheit und gleissnerischem Scheine auftritt. Schon 
unter den Kriegsknechten bei der Verspottung ist ein solcher Me- 
phisto, und noch feiner ist der elegante schwarz gekleidete Ritter 
charakterisirt, der den Heiligen ins Gefängniss führt. Es liegt in 
der Auffassung unsres Meisters ein novellistisches, romantisches Ele- 
ment; er versagt sich daher nichtdggern ein pikantes Motiv und zeigt 
uns den Heiligen, der von der Mauer zu Damascus herabgelassen 
wird, im Korbe schwebend wie der Zauberer Virgil im Volksbuche 
gräEII-iminter der Scene, wo die Kirche schon seine Reliquieirver- 
ehrtfvveil auf den andern Tafeln kein Raum dafür gewesen war. 
Dieser romantischen Poesie entspricht die rliessende, leiclltemgeich- 
nung, entspricht aber auch besonders die meisteirliughemlgehandlung 
der fßie, die bei grosser Tiefe und Sättigung der einzelnen Farben- 
töne in Gewändern, Landschzrtuudnd" Luft doch zugleich überall auf's 
Innigste VGTSClÄLIJQlÄGU und von vollendeter weicher Harmonie ist. 
Auf dem Rahmen befand sich die Inschrift: Praesens opus complevit 
Johannes Holbain Civis Augustanus; eine Jahreszahl ist zwar nicht 
angegeben, da aber das nach den Notizen von derselben Veronica 
Welser gleichzeitig bei Hans Burgkmaii" bestellte Bild die von 1504 
trägt, darf man nicht zweifeln, dass auch dieses um dieselbe Zeit, 
entstanden ist. 
Demnächst arbeitete er wenigstens zwei Jahre lang für die Do- 
minikaner in Frankfurt a. M, und zwar au Ort und Stelle, indem
	        
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