440
Die oberdeutschen Schulen.
in welchem Töchter der vornehmsten Augsburgischen Hauser zu sein
pflegten, das Privilegium verliehn, dass ihnen der Ablass, den der
Besuch der sieben grossen Basiliken Roms gewahrt, ohne wirkliche
Reise zu Theil werden sollte, wenn sie diesen Besuch geistig im Ge-
bete vornehmen. Dies veranlasste dann im Jahre 1496 (wie ich aus
einer Andeutung in einem der Bilder schliesse nach. einer Bestä-
tigung des Privilegii durch Alexander VI.) zu dem Beschluss, sich
diesen geistigen Besuch durch malerische Darstellung und zwar in
ihrem Kapitelsaale zu erleichtern. Sie beschränkten sich dabei, ent-
weder weil dieser Saal Gnu? soviel geeignete Wandflächen enthielt,
oder aus einem andern Grunde, auf sechs Bilder, indem die Basili-
ken S. Lorenzo und S. Stefano in einer wTafel vereinigt wurden, und
zogen, vielleicht weil llVandmalerei sie zu lange am Gebrauche des
Kapitelsaals gehindert haben würde, Tafelbilder vor, die nun aber
das ganze spitzbogige Wandfeld füllen und dessen Gestalt annehmen
mussten. An Portraitdarstellung jener Basiliken, die bei den Be-
ziehungen Augsburgs zu Italien nicht schwer zu erlangen gewesen
wären, ist keinesweges gedacht; zwar kommt auf jedem Bilde das
Aeussere oder Innere einer Kirche vor, mit ausdrücklicher Aufschrift
des Namens der betreffenden Basilika, aber ohne die entfernteste
Aehnlichkeit oder nurgRiicksichtnahme auf die Gestalt des Originals.
Dagegen ist stets ausser der Kirche die Gesgliichttjz" des Heiligen, dem
sie geweiht, und eine Scene aus dem Leben Christi 1), zuweilen auch
noch die Legende einefaiidern", von der Stifterin besonders verehrten
Heiligen dargestellt, und zwar so, dass alle diese Scenen nicht durch
steife Einrahmung, sondern durch in Gold aufgetragene architekto-
nische Arabesken von einander gesondert sind.
Das älteste sämmtlicher aus dem Katharinenkloster stammenden
Bilder ist nicht von grosser künstlerischer oder kunsthistorischer Be-
deutung. Es wurde im Jahre 1499 vollendet, ist eine Gedenktafel
dreier Nonnen, die auch leibliche Schwestern waren, der lferonica,
Walbuiga und Christina Vetter, und enthält ganz oben dieKrönung
Maria, darunter in sechsBildern dasieidenlllgiisti, in den Seilen-
winkeln aber theils die Veronica mit dem Scuhweisstuche, theils die
Bildnisse der bejahrten Stiftelrinnen. Die Bilder enthalten zwar cha-
rakteristische, oft portraitartige Gestalten in dreister und jjgllerßl"
Zeichnung, sind aber Hüchtig und roh in einer mehrdaltierthümlichen
1) Meistens aus der Passion, nur bei S. Maria maggiore, wie schon erwähnt,
(118 Krönung der Jungfrau durch die Trinität. Ohne Zweifel war ein ritueller
Grund für die Wahl dieser Gegenstände, muthmasslich in dem Inhalte der zum
Zwecke des Ablasses vorgeschriebenen Gebete.